079 - Die Abenteuerin
ernst. »Ich fühle mich moralisch dafür verantwortlich. Es ist eine entsetzliche Katastrophe, aber ich will alles tun, um es wieder gutzumachen. Ich bin kein reicher Mann, aber ich habe mich entschlossen, dir ein Hochzeitsgeschenk von zwanzigtausend Pfund zu machen, wenn du meinen Sohn nicht heiraten willst und Mr. Steele vorziehst.«
»Das ist sehr gut von dir«, erwiderte sie höflich, »aber ein mündliches Versprechen hat wenig Wert. Würdest du so liebenswürdig sein, mir das schriftlich zu geben?«
»Aber mit dem größten Vergnügen!« Claythorpe erhob sich und ging zum Schreibtisch. »Du wirst mit der Zeit wirklich klug und verständig«, sagte er und lachte leise vor sich hin.
Er nahm einen Bogen Papier aus der Kassette und griff nach seinem Füllfederhalter.
»Welches Datum haben wir heute?«
»Den Neunzehnten, aber datiere bitte mit dem Ersten dieses Monats.«
»Warum denn?« fragte er erstaunt.
»Ich habe meine Gründe dafür«, entgegnete sie langsam. »Vor allem sollen die Leute später nicht sagen, daß du dein Verständnis für Mr. Steele erst entdeckt hättest, nachdem ich mein Vermögen verlor.«
Er sah sie forschend an, aber kein Muskel in ihrem Gesicht bewegte sich.
»Sehr vorsorglich von dir«, sagte er schließlich und zuckte die Schultern. »Es kommt mir wirklich nicht darauf an, ob ich als Datum den Ersten oder den Neunzehnten wähle.«
Er schrieb schnell, löschte den Bogen ab und reichte ihn Joyce. Sie las das Schriftstück genau durch, faltete es zusammen und steckte es in ihre Handtasche.
»War das, was du angabst, wirklich der Grund?« fragte er neugierig.
Sie schüttelte den Kopf. »Nein«, entgegnete sie kühl. »Ich habe mich nämlich schon vorige Woche mit Jamieson trauen lassen.«
»Was, du bist verheiratet?« rief er aufgeregt. »Und das ohne meine Erlaubnis?«
»Mit deiner Erlaubnis«, erwiderte Joyce und zeigte auf ihre Handtasche.
Einen Augenblick lang runzelte er die Stirn, dann lachte er laut auf.
»Das ist ja wirklich ein toller Spaß, Joyce! Ich hätte nie gedacht, daß du soviel Unternehmungsgeist hättest! Weiß denn deine Mutter Bescheid?«
»Nein, sie hat nicht die geringste Ahnung. - Aber ich möchte noch etwas anderes mit dir besprechen. Es hängt mit dem gestrigen Überfall auf das Postauto zusammen.«
In diesem Augenblick meldete der Butler Peter Dawes.
»Dieser Chefinspektor von Scotland Yard kommt schon wieder«, sagte Lord Claythorpe und runzelte die Stirn. »Wie steht es? Möchtest du ihm nicht lieber aus dem Weg gehen?«
»Im Gegenteil! Laß ihn hereinkommen. Was ich zu sagen habe, wird ihn sicher sehr interessieren.«
Der Lord nickte dem Butler zu, und gleich darauf trat Peter Dawes ein. Er verneigte sich vor der jungen Dame und schüttelte Lord Claythorpe die Hand.
»Darf ich Ihnen meine Nichte vorstellen - sie ist allerdings nicht direkt meine Nichte«, sagte Claythorpe lächelnd, »sondern die Nichte eines sehr guten Freundes. Außerdem ist sie die junge Dame, die bei dem Einbruch in mein Büro hauptsächlich geschädigt wurde. Wie Sie wissen, gehören die Wertpapiere ihr.«
»Ich glaube, ich kenne Miss Wilberfore schon vom Sehen«, entgegnete Peter lächelnd.
»Sie wollte mir eben eine interessante Mitteilung machen, als Sie kamen. Nun, Joyce, möchtest du jetzt so liebenswürdig sein...?«
»Ich wollte nur sagen, daß ich heute morgen dies hier erhielt.«
Sie öffnete, ihre Handtasche, zog ein Schriftstück heraus, entfaltete es und legte es auf den Tisch. Als der Lord es sah, wurde er bleich, denn es war der Schuldschein über hunderttausend Dollar, den er am vergangenen Abend nach Australien geschickt hatte.
»Ich entsinne mich«, fuhr Joyce fort, »daß dies ein Teil meiner Erbschaft war. Du erinnerst dich wohl, daß ich eine Liste aller Vermögenswerte erhielt, die mir gehören?«
Lord Claythorpe feuchtete die trockenen Lippen mit der Zunge an. »Ja«, sagte er heiser. »Das gehört zu deinem Vermögen.«
»Wie haben Sie denn das Schriftstück erhalten?« fragte Peter Dawes.
»Ich habe es heute morgen im Briefkasten entdeckt.« »War kein Brief beigefügt?«
»Nein. Ich habe aber das Gefühl, daß die Zusendung dieses Scheins irgendwie mit dem Postraub zusammenhängt. Ich dachte, du hättest dieses Dokument vielleicht mit der Post an mich geschickt und einen Brief beigefügt.«
»Das ist unmöglich«, erwiderte Peter Dawes ruhig. »Wenn dieser Schuldschein wirklich zu Ihrer Erbschaft gehört, dann hätte er doch bei den
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