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079 - Die Abenteuerin

079 - Die Abenteuerin

Titel: 079 - Die Abenteuerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wallace
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erfolgreichen Theaterstück geschenkt bekommen.
    Plötzlich erhob sich der junge Mann neben ihr, aber nach Barbaras Meinung hätte er sich einen anderen Platz für seinen Fuß aussuchen können als ausgerechnet die Spitze ihres Schuhs.
    Sie schrie leise auf, und er wandte sich bestürzt und verwirrt zu ihr um.
    »Ach, das tut mir wirklich außerordentlich leid«, entschuldigte er sich.
    Er hatte ein sonnengebräuntes Gesicht wie Leute, die lange in den Tropen gelebt haben.
    »Es ist nicht so schlimm«, erwiderte sie. »Sie sind mir zum Glück nur auf den Schuh und nicht auf den Fuß getreten, ich hätte eigentlich gar nicht zu schreien brauchen.«
    »Verzeihen Sie, daß ich so unachtsam war, aber ich sah eben einen Mann, den ich am liebsten umbringen möchte.«
    Er sagte das, ohne zu lächeln, und seine Worte klangen auch nicht theatralisch. Sie war sofort überzeugt, daß er tatsächlich die Absicht hatte, den Mann umzubringen.
    Sie betrachtete ihn näher. Er mochte etwa fünfundzwanzig Jahre alt sein, hatte klassisch geschnittene Züge, einen energischen Mund und ein wohlgeformtes Kinn. Aber am meisten gefielen ihr seine lebhaften grauen Augen.
    Er hatte sie schon vorher von der Seite angesehen, denn ihre Schönheit war ihm aufgefallen. Barbara hatte auch wirklich ein charaktervolles Gesicht, und er hielt sie auch für intelligent und klug. Außerdem war er gerade erst aus einer einsamen Tropengegend zurückgekommen, wo es nur wenige weiße Frauen gegeben hatte. Es war daher nicht verwunderlich, daß ihm zunächst beinahe jede Frau reizvoll und anziehend erschien.
    Barbara Long lebte schon mehrere Jahre allein in der Großstadt und besaß daher ein feines Gefühl dafür, welchen Leuten sie trauen konnte. Sie wußte sofort, ob sie sich mit einem jungen Mann in eine Unterhaltung einlassen durfte oder ob sie ihn kurz abweisen mußte. Zu diesem Mann mit den grauen Augen faßte sie gleich Vertrauen.
    »Wollen Sie ihn wirklich umbringen?« fragte sie.
    »Wollen gewiß. Aber tun werde ich es natürlich nicht.«
    »Sie waren sicher in den Tropen?«
    Er sah sie erstaunt an, dann lachte er. »Ja, ich war in Afrika. Wenn ich nicht so lange von England fern gewesen wäre, würde ich auch nicht einen anderen Menschen umbringen wollen. Dieser Kerl ist ein ganz gemeiner Schleicher.« Er stöhnte, als ob ihm furchtbare Erinnerungen kämen. »Ich war tatsächlich ein Narr, daß ich so leichtgläubig war. Aber ich sehe ihn heute abend. Mir ist zumute wie einer Fliege, die von der Spinne eingeladen wird, in ihr Netz zu kommen.«
    Sie lachte. »Das klingt ja fast dramatisch.«
    Sie stiegen zusammen an der Ecke der Addison Road aus. Er half ihr beim Aussteigen, aber er gab sich weiter keine Mühe, die Bekanntschaft zu vertiefen. Sie wäre auch erstaunt gewesen, wenn er sich auf die üblichen Anknüpfungsversuche verlegt und zum Beispiel gefragt hätte, wo sie wohnte, ob sie gern ins Kino ginge und so weiter. Und doch hätte sie es gern gesehen, wenn er sie noch ein Stück begleitet und mit ihr gesprochen hätte.
    Die Pension, in der Barbara Long wohnte, befand sich in der Earls Court Road und unterschied sich in keiner Weise von anderen Pensionen. Barbaras großes Zimmer war mit den Möbelstücken ausgestattet, die sie aus dem Haus ihres Vaters gerettet hatte. Nach seinem Tod hatte fast alles veräußert werden müssen, um seine Schulden zu bezahlen.
    Sie trank im Speisezimmer Tee und aß ein paar belegte Brote, dann ging sie auf ihr Zimmer und kleidete sich langsam fürs Theater an. Immer wieder mußte sie an den hübschen jungen Mann mit dem gebräunten Gesicht und den grauen Augen denken. Sie überlegte, wer er wohl sein mochte und wer sein Gegner war, den er am liebsten umgebracht hätte.
    Dann dachte sie an Mr. Jennings. Sie hätte doch eigentlich diesen großen Theaterkenner vorher fragen sollen, was er über das Stück dachte, das sie heute abend sehen würde. Währenddessen schloß sie die Schublade auf, in der sie die wenigen Schmuckstücke ihrer verstorbenen Mutter aufbewahrte.
    Als sie zum Abendessen hinunterging, erfuhr sie, daß ihre Freundin, die mit ihr ins Theater gehen wollte, sich mit Grippe hatte zu Bett legen müssen.
    Barbara blieb jedoch bei ihrer Absicht. In gewisser Weise war es ihr sogar angenehm, daß sie allein sein konnte, denn sie hatte genug erlebt, um darüber nachzudenken.
    Die Pensionsinhaberin saß ihr bei Tisch gegenüber.
    »Hat Luise Ihnen die Mitteilung ausgerichtet, Miss Long?«
    »Welche

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