079 - Im Würgegriff des Nachtmahres
Mehrzahl.
Das hatte seinen Grund.
Seit zwei Tagen gastierte die weltberühmte Seherin Sheherezade im
Klub. Die Inderin war auf dem Weg zurück in ihre Heimat. Ihr Auftritt im
Noctambules" war ein Glücksfall. Der geschäftsführende Manager hatte die
Seherin auf einer Indienreise kennengelernt und eine Einladung für Paris
hinterlassen. Sheherezade hatte sich ursprünglich nur für eine Auftrittsserie
in London verpflichtet. Auf dem Rückweg in ihre Heimat war sie für drei Tage
privat nach Paris gekommen.
Doch dann hatte sie dem Drängen und Bitten des Managers vom
„Noctambules" nachgegeben und sich bereit erklärt, an zwei Abenden
hintereinander Schicksal zu spielen und Prognosen auf die Fragen der Anwesenden
zu geben.
Unter den Besuchern der exquisiten Darbietung, die heute nacht über
die Bühne gehen sollte, befand sich auch Larry Brent.
Auch seine Anwesenheit in Paris war eigentlich ein Zufall.
X-RAY-3 kam aus Lissabon. Ein Fall hatte sich dort als weniger
kompliziert erwiesen, als zunächst vermutet, und ihm früher freie Zeit geschenkt.
Normalerweise wäre er nach New York zurückgeflogen. Doch die
Tatsache, daß Morna sich seit fast vier Wochen in Frankreich aufhielt, hatte
ihn dazu veranlaßt, einen Abstecher in die Seine-Metropole zu machen. Das
Telefongespräch, daß er mit der Schwedin führte, war nur kurz gewesen. Sie
hatten sich als Treffpunkt für diesen Nachtklub entschieden, für den Morna
bereits einen Tisch bestellt hatte.
Da seine Kollegin dienstlich anwesend war, hatte Larry Brent einen
Platz etwas abseits von Morna gewählt.
Er trank einen guten Rotwein, verfolgte aufmerksam das Programm
und ließ hin und wieder seinen Blick in die Gegend schweifen, um zu sehen, ob
Morna und ihre Begleiter schon eingetroffen waren.
Ein Tisch stand noch frei.
X-RAY-3 war sicher, daß es sich dabei um Mornas Plätze handelte.
Es war müßig, sich über die Verspätung einer PSA-Agentin im
Einsatz den Kopf zu zerbrechen.
Ein Tanzpaar trat auf. Es zeigte eine Parodie. Die Besucher
lachten Tränen.
Während dieser Darbietung kamen Morna und ihre Begleiter.
Sie wurden durch einen Seiteneingang hereingelassen, der durch
einen weinroten, bis auf den Boden fallenden Vorhang verdeckt war.
Sie waren zu viert.
Morna, dann eine junge blonde Frau - schlank, elegant, nicht ganz
glücklich aussehend. An ihrer Seite ein Mann: dunkler Abendanzug, weiße Fliege
auf dem Seidenhemd. Der Begleiter der blonden Französin war mindestens sechzig
Jahre alt.
Der Mann, der höflich Morna einen Stuhl bereitstellte, und der
vierte in der Gruppe war, mochte etwa halb so alt sein. Seine starken
Nasenfalten gaben dem blassen, vornehmen Gesicht einen harten, markanten
Schnitt.
Aus den Augenwinkeln heraus beobachtete Larry die späten Gäste.
Es ging alles in einer dezenten Lautlosigkeit über die Bühne, so
daß die Darbietung des Tanzpaares nicht gestört wurde.
Morna trug ein dunkelblaues, figurbetontes jugendliches Kleid mit
einem gewagten Ausschnitt und rückenfrei.
Die Schwedin saß so, daß sie Larry das hübsche, gutgeschnittene
Profil zuwandte.
X-GIRL-C konnte den Freund auf keinen Fall wahrnehmen. Larry saß
weiter hinten und hatte von seinem Platz aus einen wunderbaren Überblick,
während Morna sich aufmerksam in der Runde hätte umsehen müssen, um ihn zu
suchen.
Das Tanzpaar beendete unter dem Beifall der Anwesenden seine
Darbietungen.
Die attraktive Ansagerin mit dem wippenden Rock kündigte jetzt die
Sensation des Abends an.
Die Lichter an den Decken wurden weiter abgeblendet. Ein diffuses
Halblicht herrschte auf der Bühne.
Sheherezade kam.
Im „Noctambules" wurde es so still, daß man eine Stecknadel
hätte fallen hören.
Die Inderin war groß und trug ein farbenprächtiges, knöchellanges
Gewand. Das lange schwarze Haar war hochgesteckt.
Sheherezade hatte das ausgeglichene, ruhige Gesicht einer
indischen Göttin.
An den nackten Armen trug sie goldene Spangen und kunstvoll
gedrehte farbige Schnüre und Ketten.
Sheherezade sprach ihre Zuhörer in französischer Sprache an. Sie
erzählte von ihrer Heimat, von den mythischen Gottheiten, die auch noch heute
die Menschen in ihrem Land entscheidend beeinflußten, die den Tagesablauf
bestimmten, über Wiedergeburt und Tod bestimmten.
Sheherezade gab eine Darstellung ihres Lebenslaufes und
behauptete, bereits drei wiedergeboren zu sein. An ihre letzte Inkarnation
könne sie sich im Zustand der Hypnose genau erinnern.
Sie schreckte nicht von der
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