079 - Im Würgegriff des Nachtmahres
dem Paß entnommen.
Larry hielt den Atem an, griff nach seinem Glas und nahm einen
herzhaften Schluck.
Das konnte heiter werden.
Wenn die Erzählfreudigkeit Sheherezades andauerte, dann mußte man .damit
rechnen, daß innerhalb kurzer Zeit alle Anwesenden im „Noctambules" über
die PSA Bescheid wußten und daß ein Geheimnis, von dem nur ' wenige
unterrichtet waren, in den nächsten Minuten hier zu Grabe getragen wurde. Dann
war nicht nur das Inkognito aller für die PSA arbeitenden Agenten in Gefahr,
sondern auch Mornas brisante Mission in Paris war aufs höchste gefährdet.
●
Aber Sheherezade verlor sich in Banalitäten.
Kein Wort von der PSA, kein Wort über den Auftrag der Schwedin.
Die Inderin berichtete, daß Morna seit vier Wochen in Paris weile
und eine interessante Stelle bei einem prominenten Fabrikanten bekommen habe.
Sie könne Zeugnisse von ihren früheren Arbeitgebern vorweisen; bisher sei sie
in namhaften Firmen als Chefsekretärin tätig gewesen.
Kein Wort darüber, daß diese Zeugnisse fingiert waren!
Sheherezade erwähnte auch nur kurz den ungewöhnlichen Armschmuck
der Schwedin, ein schmales goldenes Kettchen mit einem Anhänger, der eine
Weltkugel mit einem stilisierten Menschenantlitz darstellte.
Sheherezade tippte das Geheimnisvolle an, erwähnte, daß es mit
diesem Schmuck etwas Besonderes auf sich habe, aber sie würde absichtlich nicht
sagen, was. Und Morna war klug genug, nicht weiter in sie zu dringen.
Es war klar, daß die Inderin hundertprozentig Bescheid wußte.
„Wie sieht meine Zukunft aus?" fragte die charmante Schwedin,
als Sheherezade eine kurze Pause machte.
„Ein Fest kommt auf Sie zu. Es ist ein Fest, das Ihnen zu Ehren
gegeben wird. Es könnte eine Hochzeit sein. Darauf haben Sie gewartet. Es wird
sich alles so erfüllen, wie Sie es erhofft haben."
Die Stimme der Seherin klang leise. Morna merkte der Inderin an,
daß nicht alles so war, wie sie sagte. Der Blick von Sheherezade war unablässig
auf sie gerichtet, als könnten die Augen der Seherin auf dem Grund ihrer Seele
Dinge erblicken, die sie lieber nicht aussprechen wollte.
„Das Fest wird Sie glücklich machen", sagte Sheherezade laut
und deutlich ins Publikum. Und leise fügte sie etwas hinzu, was in diesem
Augenblick nur Morna hören konnte.
Die Schwedin wurde von den Worten Sheherezades wie von einem
Schock getroffen.
„Es besteht höchste Gefahr für Ihr Leben! Die Chance, daß Sie
Paris lebend verlassen, ist gleich
Null!"
●
Morna ließ sich nichts anmerken. Nur die Blicke der Agentin und
der Seherin trafen sich.
Sheherezade wußte, daß die Schwedin diese Nachricht verkraften
konnte. Einer anderen hätte sie die Dinge nicht so klar und deutlich gesagt.
X-GIRL-C verließ die Bühne und Sheherezade erhob sich.
Larry verfolgte die Kollegin mit den Augen. Er glaubte zu
verstehen, weshalb Morna diesen Weg zur Bühne gewählt hatte.
Sie hatte gehofft, einen Hinweis zu erhalten. War sie in einer
Sackgasse gelandet? Aber selbst dann war es nicht ihre Art, so zu reagieren.
Sie hätte sich an anderer Stelle Rat geholt. Oder war das Ganze doch nur eine
Spielerei gewesen, eine Spielerei allerdings, die leicht ins Auge hätte gehen
können.
Morna nahm ihren Platz ein.
Die Inderin kam von der Bühne herunter. Die Scheinwerfer
leuchteten hell und strahlend auf.
Sheherezade kündigte an, daß sie ein bißchen im Zuschauerraum
spazierengehen wolle, um Proben ihrer seherischen Fähigkeiten in der Nähe
verschiedener Anwesender zu geben.
Aller Blicke waren auf sie gerichtet. Erstaunliche Details wußte
sie von den einzelnen Personen zu berichten, die sie an den Tischen aufsuchte.
Allein schon die Tatsache, daß sie die vollen Namen ihr völlig unbekannter
Menschen nannte, daß sie Geburtsdatum und -ort wußte, verblüffte und schaffte,
eine Atmosphäre knisternder Spannung, aber auch einer gewissen Furcht. Manch
einer atmete sichtlich auf, als Sheherezade an seinem Tisch vorbeiging.
Aber dann kam es doch zu einem Eklat.
Sheherezade stand eine Tischreihe von Larry Brent entfernt.
Dort saßen vier Personen.
Es handelte sich um Bertrand Papillon, um dessen Frau, Tochter und
Schwiegersohn.
Papillon nahm die dicke Zigarre aus dem Mund, als die Inderin ihre
schlanke Hand auf sein Schulter legte.
Ein Zittern lief durch Sheherezades Körper, ihr Gesicht wurde von
einer Sekunde zur anderen kreidebleich und bedeckte sich mit kaltem Schweiß.
„Sie sind Bertrand Papillon", flüsterte sie
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