079 - Im Würgegriff des Nachtmahres
wie unter dem
Einfluß einer unsichtbaren Macht. Ihre Stimme klang verändert. „Sie sind der
Geschäftspartner von Henri Caronne. Seit fast zwei Jahren führen Sie das
Geschäft allein. Denn vor zwei Jahren starb Caronne. Er wurde ermordet,
vergiftet. Seinen Mörder hat man nie gefaßt, weil die Polizei an Selbstmord
glaubte. Aber das ist ein Irrtum. Sie sind Caronnes Mörder!"
Die Beschuldigung schlug ein wie eine Bombe.
Und dann ging es drunter und drüber.
Bertrand Papillon schluckte. Die Zigarre fiel ihm aus der Hand.
Seine Frau und seine Tochter sahen sich an.
Bei Papillon kam es zu einer Kurzschlußhandlung.
Puterrot, aufs äußerste erschrocken, aber unfähig, auch nur ein
Wort über seine Lippen zu bringen sprang er auf.
Papillons Rechte stieß die Inderin zurück.
Sheherezade taumelte. Es war offensichtlich, daß sie die Attacke
schon gar nicht mehr mitbekam.
Die Inderin fiel nach hinten. Sie war ohnmächtig.
Die Wucht der Einflüsse, die sie aus einem anderen Reich empfangen
hatte, war zu gewaltig gewesen.
Papillon warf den Stuhl um und spurtete los.
Er warf sich wie ein Krieger zwischen die Tischreihen.
Die unerwartete Eröffnung der Seherin hatte ihn völlig aus der
Fassung gebracht, und er begriff nicht, daß es gerade sein Verhalten war, das
den anwesenden Gästen des Nightclubs die Gewißheit gab, daß Sheherezade ihren
Finger in eine blutende Wunde gelegt hatte.
Larry Brent reagierte mit der ihm eigenen Geistesgegenwart.
Er streckte einfach das Bein aus, ehe die meisten der Anwesenden
überhaupt einen klaren Gedanken fassen konnten.
Papillon schrie gellend auf.
Er warf beide Arme nach vorn, segelte durch die Luft und knallte
voll auf den Boden.
X-RAY-3 war der erste, der neben ihm stand und ihm in die Höhe
half.
Im Nu bildete sich jetzt eine Menschentraube.
„Pardon", murmelte Larry. „Das war nicht die feine Art, Sie
aufzuhalten. Vielleicht habe ich auch einen Fehler gemacht. Aber Ihre Reaktion
hat mir doch zu denken gegeben."
Papillon versuchte sich durch die Menge zu boxen. Er schimpfte und
tobte. Der Nightclub glich mehr einem Tollhaus als einer Stätte des Vergnügens.
Von einer Minute zur anderen hatte sich die Situation verändert.
Papillon wurde aufgehalten.
Die ohnmächtige Inderin war indessen aus dem Raum getragen worden.
Ein Arzt war informiert.
Auf die Polizei brauchte man gar nicht erst zu warten.
Es dauerte nur wenige Minuten, ehe sich ein Mann aus der
hintersten Tischreihe bis vor zu der Stelle durchgewühlt hatte, wo Papillon lautstark
und mit hochrotem Kopf gegen die Behinderung protestierte.
„Lassen Sie mich bitte durch — Polizei", hörte X-RAY-3 eine
ruhige Stimme.
Eine Gasse öffnete sich. Der Mann — bärtig, dunkles Haar, gut
gekleidet — trat in den engeren Kreis. „Kommissar Lorell!" kam es wie eine
Erlösung über Papillons Lippen.» Sie kommen wie gerufen!"
Mißtrauische Blicke aus den Reihen der Umstehenden trafen den
bärtigen Kommissar.
„Sie dürfen mir glauben, ich heiße wirklich Lorell", murmelte
der Bärtige. „Ich wollte mir die Kunststückchen von Madame Sheherezade ansehen.
Daß die Dinge allerdings eine solche Entwicklung nehmen würden, das hätte ich
nicht in meinen kühnsten Träumen erwartet. Ich bin der Mann, der den Fall
seinerzeit bearbeitet hat. Sie können mir Monsieur Papillon also beruhigt
anvertrauen. Ich möchte mich gern mit ihm unter vier Augen unterhalten."
●
Langsam legte sich die Aufregung wieder.
Mit ihrem Auftritt im „Noctambules" hatte die Seherin für
eine Sensation gesorgt.
Für die Presse war es das gefundene Fressen.
Mehrere Journalisten und Reporter waren anwesend, die den
kurzfristig angekündigten Auftritt der mysteriösen Seherin für ihre Blätter in
Bild und Text festhalten wollten. Ihnen war auch ein persönliches Interview
nach dem Auftritt der Inderin zugesichert worden. Doch der Lauf der Ereignisse
hatte die Dinge über den Haufen geworfen.
Sheherezade war nicht imstande, jemanden zu empfangen. Sie befand
sich noch immer Bewußtlosigkeit.
Die Geschäftsführung bemühte sich, den Vorfall so schnell wie
möglich in Vergessenheit geraten zu lassen.
Die kleine Band begann wieder zu spielen.
Dharmante Chansonette von vorhin trat wieder auf und brachte eines
ihrer rasiermesserscharfen Liedchen. Sie sang leise und andächtig, und man
mußte schon genau hinhören, um den zweideutigen Sinn zu verstehen. Auf diese
Weise kehrte schnell wieder Ruhe ein. Die Rechnung des
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