0790 - Kristall aus der Vergangenheit
krächzende Plappern eines Papageis denn wie die Stimme eines Menschen.
Der Kerl war verrückt geworden! Das gab es doch nicht. Ob er ihn auf den Arm nahm?
»Verarschen kann ich mich selbst. Pass auf, wie du mit mir umgehst und sag mir, was los ist! Warum hast du eben aufgeschrien? Hast du einen Hitzschlag?«
André blickte ihn verständnislos an und tappte an ihm vorbei. »Da!«, sagte er und deutete auf den immer noch ratternden Presslufthammer. Er grinste blöde und machte sich auf den Weg zu der Quelle des Lärms. Er stolperte über einen Stein, setzte danach seinen Weg unbeirrt fort.
Da geht es nicht mit rechten Dingen zu. Gerome erinnerte sich an das, was er bei den Versammlungen der Sekte gehört hatte. Der Teufel sei überall und man könne sein Wirken an jedem Ort beobachten. Ob er hier die Gelegenheit dazu hatte? War dieser seltsame Diamant daran schuld, dass André den Verstand verloren hatte? Möglicherweise verfügte er über magische Kräfte.
Gerome zweifelte daran, aber er war neugierig geworden. Wenn dieser Diamant gefährlich war, dann sollte er ihn besser nicht ungeschützt berühren. Vorsicht war in diesem Fall die bessere Wahl. Er zog die Arbeitshandschuhe aus der Tasche seines ärmellosen Blaumanns und streifte sie sich über. Dann bückte er sich und griff nach dem Kristall.
Nichts geschah. Er ließ ihn zufrieden in der Tasche seiner Hose verschwinden. Wenn der Stein tatsächlich übernatürliche Kräfte hatte, würde sein Ansehen in der Sekte steigen. Und wenn nicht, konnte er ihn immer noch beim Hehler zu Geld machen.
Gerome sah rosigen Zeiten entgegen. Er überlegte nicht lange, was zu tun war. Gleich morgen würde er den Sektenmeister treffen und ihm den Kristall zeigen.
Das war die beste Entscheidung. Der Meister wird wissen, was zu tun ist!
***
Professor Zamorra drehte den Stuhl in seinem Arbeitszimmer im Château Montagne, um den wiegenden Hüften seiner Mitstreiterin Nicole Duval hinterher zu sehen. Ihre khakifarbenen Hosen waren knalleng und ließen die braungebrannte Haut bis weit über die Knie frei. Schneller als ihm lieb war, schob er die Phantasien, die Nicoles Anblick in ihm auslösten, zurück.
Die Pflicht rief mit unüberhörbarer Stimme.
Er wandte sich wieder seinem Computer zu.
Beim Stöbern im Internet war er auf einen interessanten Zeitungsartikel gestoßen. Ihm war die Überschrift aufgefallen, die reißerisch in Versalien fragte: »WO IST DER WAHNSINNSDIAMANT?«
Zamorra begann zu lesen. Der Journalist machte sich in wenigen Worten recht eindeutig über einen Bauarbeiter lustig, der behauptete, Seltsames erlebt zu haben. Er berichtete von einem Kollegen, der wahnsinnig geworden sei, unmittelbar nachdem er einen blau funkelnden Kristall berührt hatte.
Ein blauer Kristall, der Wahnsinn verursachte? Zamorra stutzte. Das deutete auf einen Dhyarra-Kristall hin. Er wusste nur zu genau, dass jeder, der einen Dhyarra-Kristall berührte, sofort den Verstand verlor oder starb, wenn der Kristall auf seinen Besitzer verschlüsselt war… in diesem Fall schützte auch das größte Para-Potenzial nicht vor den verhängnisvollen Folgen.
Darüber hinaus waren die gemeinhin verwendeten Dhyarras nun einmal blau…
Das konnte keine Zeitungsente sein, die sich ein übereifriger Reporter in der Sauregurken-Zeit aus den Fingern gesaugt hatte. Niemand konnte eine dermaßen haarsträubende Geschichte erfinden, die so nahe an der Realität war, welche Zamorra leidlich oft hatte erleben müssen. Der Vorgang musste einen realen Hintergrund haben.
Zamorra seufzte und dachte wehmütig an die engen Hosen von Nicole. Es half nichts. Er verdrängte alle derartigen Gedanken und las den Artikel zu Ende.
»›Ich habe den Kristall genau gesehen,«, behauptet der Bauarbeiter, »und mich noch mit André darüber unterhalten. Ich schau dann über meinen Presslufthammer weg und seh, wie er zusammenzuckt. Er scheint mit dem Neuen zu reden, bevor er zu mir kommt und ich merke, dass er verrückt geworden ist.‹ So weit die Aussage von Raymonde G., dem Bauarbeiter, der alles beobachtet hat. Auf meine Frage hin, wo der ominöse Kristall geblieben sei, konnte er mir keine Antwort geben. Eine eigenartige Geschichte, lieber Leser. Was am Ende bleibt, ist ein Bauarbeiter, der plötzlich den Verstand verloren hat. Die Gründe dafür werden wir wohl nie herausfinden. Doch ob es wirklich an einem verschwundenen Edelstein liegt, das mag jeder für sich selbst entscheiden.«
Was Zamorra anging, so hatte
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