0791 - Diondra - einfach mörderisch
allerdings war auf der Fensterscheibe etwas zurückgeblieben.
Es war dunkel, ein Fleck, leicht verlaufen.
Als er die Tür aufriss, drang über seine Lippen ein Schrei. Nicht schrill, doch von Angst und auch Verzweiflung gezeichnet. Die Erklärung der Halluzination brach bei ihm zusammen wie ein Kartenhaus. Das Licht reichte aus, um zu erkennen, was da von innen an der Scheibe klebte und allmählich nach unten rann.
Es war Blut!
***
Als Sir James und ich auf den bewachten Parkplatz gefahren worden waren und ausstiegen, da kam mir in den Sinn, meinen Chef an etwas zu erinnern. »Wenn Suko schon den zweiten Mann im Hintergrund spielt, dann hätte ich ihn gern dabeigehabt.«
Sir James drückte seinen Hut fester und schüttelte den Kopf.
»Nein, John, wir werden uns offiziell an die Vorgaben halten.«
»Aha.«
Er sprach weiter. »Die besagen nämlich, dass nur eine Person abgestellt werden soll, obwohl ich es auch nicht für gut halte, doch es gibt Dinge, denen auch ich mich fügen muss, weil bestimmte Menschen hervorragende Beziehungen unterhalten und diese ausnützen wie ein Staatsgeheimnis.«
»Verstehe, Sir. Diese Diondra Mayne ist so etwas wie ein Staatsgeheimnis.«
»Wenn Sie so wollen – ja.«
»Ich bin gespannt.«
»Sie werden diese Dame heute noch nicht zu Gesicht bekommen. Man wird Sie nur in einige Details einweihen.«
Die sollte ich im Firmensitz oder in der Zentrale des Phönix-Konzerns erhalten. Und zwar vom Vorstand persönlich, einem Mann namens Sir Anthony Rowles.
Der Konzern hatte Geld, der Konzern verdiente Geld. Das war schon an der Außenseite des hohen Gebäudes zu erkennen, einem gewaltigen Bau, der in den Himmel ragte wie ein schlanker kantiger Turm aus Metall und spiegelndem Glas. Der Bau stand nicht weit von der Themse entfernt.
Wir waren auf den Parkplatz gefahren, und sogar ihn hatte man überdacht. Wellenartige Kunststoffdächer breiteten sich über unseren Köpfen aus und hielten den Regen ab. In den Rillen und Mulden hatten sich Pfützen gebildet, die manchmal wie breite Augen schimmerten und auf uns herabschauten.
Die breite Eingangstür an der Rückseite öffnete sich automatisch, die Halle beeindruckte nicht allein wegen ihrer Größe, sondern auch wegen der kostbaren Materialien, die beim Bau verwendet worden waren. Viel Marmor, aber auch Holz und Teppiche. Das alles beleuchtet von einem sehr weichen Licht. Es fiel aus Lampen, die wie schwebende Ufos aussahen.
Die Anmeldung hätte auch der Rezeption eines Luxus-Hotels zur Ehre gereicht, und die dort arbeitenden Angestellten ebenfalls. Zwei junge Damen, ein Mann, und sie sahen aus, als wären sie die glücklichsten Menschen der Welt. Reklametypen, wie sie gern in den Werbefilmen zur Schau gestellt wurden.
Das Lächeln war perfekt, und zur Begrüßung lächelten auch die Augen mit. Während Sir James die Sache erledigte, hatte ich mich umgedreht und schaute mich um.
Im Hintergrund standen mehrere Männer in grauen Anzügen. Sie waren so gut verteilt, dass es eigentlich nur Aufpasser sein konnten.
Der Phönix-Konzern schien tatsächlich etwas Bedeutendes zu sein.
Natürlich hatte ich schon von ihm gehört, aber wo er überall mitmischte, war mir nicht bekannt. Ich war kein Ökonom, mich interessierte anderes.
In den jungen Mann an der Anmeldung kam Bewegung, als er Sir James’ Namen hörte.
Er flitzte herbei und erklärte, dass Sir Anthony uns bereits erwartete. »Darf ich dann vorgehen?«, erkundigte er sich beflissen.
Er durfte.
Eigentlich hatte ich damit gerechnet, zu den normalen vier Lifts geführt zu werden, aber wir bestiegen einen separaten Aufzug, der einzig und allein bis in die Direktionsetage hochführte, und die lag in der letzten Etage.
Die Kabine schaffte uns schnell hoch. Der Angestellte war perfekt gekleidet, blauer Blazer, weißes Hemd, Streifenkrawatte, dazu eine graue Hose mit scharfer Bügelfalte. Das blonde Haar war sorgfältig frisiert, und auf seinem Gesicht entdeckte ich kein einziges Barthaar.
Er lächelte uns an, sagte aber nichts. Es dauerte nicht lange, bis wir das Ziel erreicht hatten.
»Nach Ihnen bitte«, sagte der junge Mann. Er entließ uns, und wir betraten ein Vorzimmer – oder soll ich sagen Großraumbüro, denn es saßen dort einige junge Damen an ihren Schreibtischen und tippten die Briefe oder telefonierten.
Man nahm von uns kaum Notiz, als wir den Raum durchquerten.
Uns wurde eine mattweiß gestrichene Tür geöffnet, und wir betraten so etwas wie das Allerheiligste.
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