0791 - Diondra - einfach mörderisch
geschaffen.«
»Welche?«
»Trendforschung.«
Ich verzog die Lippen. »Das ist ein sehr weiter Begriff, Sir Anthony. Können Sie ihn mir erläutern?«
»Ich will es versuchen. Wir stehen auf dem Sprung zur Jahrtausendwende, und die Geschichte lehrt uns, dass in den letzten Jahren eines ausgehenden Jahrhunderts immer etwas Besonderes passiert. Das ist wohl auch in diesem zwanzigsten Jahrhundert nicht anders. Denken Sie nur an die Veränderungen im Osten oder auf dem Balkan, auch Deutschland wuchs wieder zusammen, aber das sind Tatsachen, die ich nur am Rande streifen möchte. Mich als Chef dieses Konzerns, der ich nur meinen Aktionären gegenüber verantwortlich bin, muss natürlich die Zukunft interessieren. Ich will wissen, wie es weitergeht, wie die Absatzchancen sich entwickeln, ob wir in den Osten hineinkönnen, wie sich die Menschen verhalten, ich muss also unzählige Informationen sammeln, um sie später zu einem Bild zusammenfügen zu können.«
»Das ist mir klar, aber das machen nicht Sie.«
»Exakt. Ich habe dafür Diondra eingestellt.« Er leerte seine Tasse und schaute auf seine zusammengelegten Handflächen, die auf seinen Knien einen Platz gefunden hatten. »Diondra Mayne ist unser Garant für die Zukunft. An sie gehen praktisch alle Informationen über den Zeitgeist, über das Verhalten der Menschen, über politische und soziologische Entwicklungen, über Umbrüche in den Ländern der Dritten Welt, die ja die Märkte der Zukunft sein sollen…«
»Vorausgesetzt, man beutet sie nicht aus«, sagte ich, wofür ich mir einen strafenden Blick meines Chefs einfing, aber Sir Anthony ließ sich nicht beirren.
»Wie dem auch sei, wir brauchen diese Informationen, wir kriegen sie auch, aber damit ist das Puzzle nicht zusammengesetzt. Jetzt muss gerechnet und probiert werden. Analysen werden erstellt, die Informationen verdoppeln oder verdreifachen sich noch einmal, und um da das Gleichgewicht zu halten, habe ich diese junge Frau eingestellt, dieses Genie, vor dem ich mehr als Hochachtung habe. Sie schafft es, wenn es einer schafft, dann sie, denn sie ist einmalig, wir mir einige Professoren bestätigt haben, die Tests mit ihr durchführen.« Er schüttelte den blanken Kopf. »Diese Frau muss ein Riesenhirn haben. Was sich darin abspielt, ist unvorstellbar komplex.« Er strich sich über seinen Nasenrücken. »Aber mir kommt es letztendlich auf den Erfolg an, und den möchte ich nicht gefährdet sehen.«
»Was aber nicht sicher ist.«
»Eben.« Er hob die Kanne an und schenkte Kaffee ein. Noch während der braune Strahl lief, sprach er weiter. »Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass es sich herumgesprochen hat, welchen Fisch wir an der Angel haben, Sie verstehen?« Er stellte die Kanne wieder auf den kleinen Beistelltisch.
»Konkurrenz?«
»Ja.«
»Wer?«
Sir Anthony hob die Schultern. »Ich habe keine Ahnung. Ich könnte Ihnen jetzt einige Konzerne aufzählen, aber das ist es wohl nicht.«
»Haben Sie mit Diondra darüber gesprochen?«
Sir Anthony lachte. Es klang wie ein Bellen. »Sie sprach mit mir darüber.«
»Wieso?«
»Sie kam zu mir. Sie fühlte sich bedroht. Sie hat mich erst auf den Gedanken gebracht.«
»Können Sie da konkreter werden?«
»Nein.«
»Das ist schlecht«, sagte ich.
Er wehrte sich. »Es liegt nicht an mir, Sinclair, sondern an Diondra.«
»Warum an ihr?«
»Sie wollte sich nicht äußern. Ich habe sie gebeten, konkret zu werden, aber selbst das verweigerte sie. Ich fragte mehrmals nach, schließlich gab sie mir eine Antwort, die mich erschütterte. Sie passte einfach nicht in mein Weltbild, denn sie hatte etwas zu tun mit… nun ja … ich weiß nicht, wie ich es sagen soll.« Er suchte nach Worten. »Mit etwas Übersinnlichem.«
»Das bringt mich noch nicht weiter, Sir Anthony.«
»Kann ich mir denken. Sie brachte den Begriff Mächte aus der Vergangenheit mit ins Spiel.«
»Sonst nichts?«
»Nein.«
»Haben Sie nicht nachgehakt?«
»Ein wenig schon, aber Diondra konnte sich nicht artikulieren. Sie schien mir nicht sicher zu sein.«
Sir James gestattete sich ein Räuspern. Danach legte er seine Stirn in Falten. »Das ist natürlich etwas wenig, Anthony. Sie hätten schon nachhaken sollen.«
»Ja, das sehe ich ein, aber mir geht oder ging es doch um andere Dinge. Ich bin Manager, kein Spiritist.«
»Das bin ich auch nicht«, sagte ich, »aber ich brauche gewisse Informationen. Wenn ich Ihr Genie beschützen soll, stehe ich da wie jemand, der nichts
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