0792 - Gruß aus der Gruft
wusste sie.
Deshalb fuhr sie herum, denn sie suchte nun die Person, die dafür die Verantwortung trug, und das war ich.
Ich spürte meine innere Ruhe bis hin zur Kälte. Auch ich hatte die Lampe geschwenkt, und der Strahl setzte sich jetzt auf Diondras schrecklichem Gesicht fest. Für mich war es nur mehr eine Ausgeburt an Widerwillen und Hässlichkeit. Alles Schlimme, das es auf dieser Welt gab, vereinigte sich in diesem Gesicht. Der Hass sprang mich aus den Blicken an. Ich wusste, dass sie sich auf mich stürzen würde, denn ich hatte ihr durch mein Tun einen Rückweg versperrt.
Sie brüllte wie irre.
Dann warf sie sich vor.
Ich wusste nicht, wie stark und mächtig sie war, ich ging aber auf Nummer Sicher und schrie in ihr Brüllen hinein die Aktivierungsformel des Kreuzes: »Terra pestem teneto – salus hicmaneto!«
***
Genau die Worte halfen, denn sie hatten meinem Kreuz gegolten, das sich vor meiner Brust in ein blendendes Etwas verwandelte und hell wie ein Stern aufstrahlte. Dabei sah es für mich so aus, als würde es diesem Wesen entgegenfliegen, doch es war nur das Licht, das sich wie ein gewaltiger Ballon ausbreitete.
Strahlendes Licht, in dessen Zentrum sich zwei Dinge befanden.
Zum einen Diondra Mayne, zum anderen die Amphore!
Letztere platzte mit einem dumpfen Geräusch auseinander, um den Schrecken zu entlassen…
***
Weder Suko noch ich konnten genau sehen, was in die grelle Lichterscheinung hineindrang. Es war eine düstere Masse, ein Schatten, der rötlich-violett schimmerte, auch Diondra erfasste, aber auf eine Art und Weise, wie sie unwahrscheinlich war.
Aus dem dicken, teerartigen Schatten mit der Andeutung einer schrecklichen Fratze dahinter schob sich eine monströse Hand, deren Finger ausgebreitet waren.
Die Hand der Rache, die Klaue eines unbekannten Dämonengottes, einer Kreatur der Finsternis, durch das Licht meines Kreuzes aus den tiefsten Sphären der Dunkelheit gerissen.
Für einen Moment bewegte sie sich nicht und stand wie ein Mahnmal schräg über dem Kopf der Diondra. Ich wusste schon, dass wir nicht mehr einzugreifen brauchten. Die Kraft meines Kreuzes hatte die schreckliche Kreatur für einen Moment befreit, damit sie auch die Person mit in die Vernichtung ziehen konnte, die durch sie entstanden war. Hier kämpfte das Böse gegen das Böse.
Und die Hand griff zu.
Sie umklammerte die Kehle der Kreatur, die einmal Diondra Mayne gewesen war. Es war ein ungemein harter Griff. Er drückte ihr den Hals zusammen wie ein Stück Teig. Dann zerrte die braungrüne Klaue das Opfer in die Höhe, schüttelte es, und wir sahen, wie sich das braune, wolkenartige Gesicht hinter der Klaue veränderte. Da wurde ein Maul aufgerissen, in dem Diondra verschwand, als wäre sie von einem Tunnel der Zeiten verschluckt worden. Genau in dem Augenblick verblasste auch der Glanz der Kreuzes. Das Licht fiel ineinander, kein Strahlen mehr, kein silbriges Schimmern, nur unsere schmalen Leuchten erhellten den Keller.
Von Diondra sahen wir nichts mehr.
Und von der Amphore waren nur noch Scherben zurückgeblieben.
Suko legte mir die Hand auf die Schulter. »Ich denke, John, dass wir noch einiges zu bereden haben.«
»Stimmt, aber auch nachzudenken.«
»Über alte Zeiten?«
»Nein, über ganz alte…«
ENDE des Zweiteilers
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