0793 - Als der Engel Trauer trug
hatte. Seine rote Gesichtsfarbe passte eigentlich zu ihm, auch die Pausbacken und das kurze Haar. Er machte insgesamt einen gemütlichen Eindruck. Bestimmt kam er gut mit Kindern aus, ich konnte ihn mir auch vorstellen, wie er auf irgendwelchen Gummibärchen kaute oder Lollis lutschte. »Eine Frau?«
»Ja, warum nicht?«
»Wie kommen Sie denn darauf?«
Suko lächelte. »Das hat aber misstrauisch geklungen, als sie mich das fragten.«
»Sollte es auch.«
»Warum?«
»Weil«, er grinste breit, »ja, weil ich einen Trumpf in der Hand halte, von dem Sie noch nichts wissen.«
»Das ist gut«, sagte ich. »Aber Sie werden ihn uns doch zeigen – oder nicht?«
»Das schon.« Er schlug auf seine alte Schreibmaschine. »Sie haben Glück, dass dieser Trumpf uns in der letzten Nacht begegnet ist. Kollegen fanden ihn auf der Straße liegend. Sie dachten erst, dass er getrunken hätte, es stellte sich heraus, dass dies nicht der Fall war, sondern dass er«, Drugg drehte die Hand vor seinen Augen, »irgendwo nicht mehr normal war, denn er hat sich etwas zurechtgesponnen, und daraufhin haben wir ihn zunächst in eine Zelle gesperrt, womit er auch einverstanden war, das wird er Ihnen bestätigen.«
»Wir dürfen also davon ausgehen, dass es sich bei Ihrem Trumpf um einen Mann handelt.«
Drugg nickte Suko zu. »Stimmt.«
»Wie heißt der Mann?«
»Pete Ashley. Er ist Vertreter für Milchprodukte. Erfährt die Supermärkte an, um das Zeug dort zu verkaufen.« Der Sergeant verzog die Lippen. »Finde ich widerlich, diese Pampe.« Dabei schielte er auf seinen Bauch. »Obwohl ich sie so gern essen würde. Ist aber egal. Jedenfalls haben wir den Mann mit seiner Einwilligung hier bei uns behalten.«
»Wo?«, fragte ich.
»In der Zelle.«
»Oh.«
»Sie ist offen. Ashley wollte auch in kein Hotel, da er sich bedroht fühlte.«
»Von wem?«
»Das, Gentlemen, wird er Ihnen besser selbst erzählen. Jedenfalls kann ich die Bedrohung nicht nachvollziehen.« Der Sergeant stemmte sich aus seinem breiten Holzstuhl in die Höhe. »Ich werde gehen und ihn holen. Dauert nicht lange. Hier kann man sich besser unterhalten als in unseren alten Zellen.« Er watschelte auf eine Tür zu.
»Bis gleich dann.«
Ich schaute ihm grinsend hinterher. Drugg war schon ein Original.
Er machte einen gemütlichen Eindruck. Diese Polizisten musste es auch geben, sicherlich genoss er großes Vertrauen in der Bevölkerung, und hinter seinem Schreibtisch hingen die Bilder von Schülern an der Wand, denen er wohl Verkehrsunterricht gegeben hatte, denn alle zeigten Motive in dieser Richtung. Bei den meisten stand ein dicker Mann im Mittelpunkt, der den Verkehr regelte.
Ansonsten war das Büro von einer fast historischen Gemütlichkeit.
Es war nichts ausgewechselt und renoviert worden, das galt für die Schreibtische ebenso wie für die Schreibmaschinen und auch das übrige Mobiliar, wozu ich auch das Telefon zählte.
»Er ist hier der King«, sagte Suko.
»Davon kannst du ausgehen.«
Der ›King kam‹ schnell zurück, und in seiner Begleitung war ein Mann, der blass und übermüdet aussah. Er hatte das braune Haar nicht gekämmt, sein Gesicht zeigte einen scheuen Ausdruck, und mit seinen dunklen Augen starrte er uns an.
»Das ist Pete Ashley, von denen ich Ihnen berichtet habe«, erklärte der Sergeant.
Wir stellten uns selbst vor, und Pete zuckte bei dem Wort Scotland Yard zusammen. »Mein Gott, was habe ich denn jetzt angestellt?«, flüsterte er.
»Nichts«, erwiderte ich. »Wir interessieren uns nur für den Fall.«
Ashley wandte sich an Drugg. »Stimmt das? Haben Sie die Männer alarmiert, Sergeant?«
»Nein, sie kamen von allein.«
»Es hat sich herumgesprochen, dass hier etwas passiert ist, das nicht in den normalen Rahmen passt.«
Er schwieg, und ich kam endlich dazu, uns vorzustellen. Dann aber wollte ich wissen, was ihm widerfahren war, und Ashley hob überrascht den Kopf an. »Soll ich jetzt die ganze Geschichte erzählen?«
»Ja.«
»Das habe ich schon. Alles ist aufgenommen worden…«
»Wir könnten noch einige Fragen an Sie haben«, erklärte Suko.
Jovial schlug Drugg dem Vertreter auf die Schulter. »Keine Sorge, mein Lieber, ich werde Ihnen erst einmal einen leckeren Kaffee bringen. Dabei plaudert es sich besser. Sie auch noch?«
Wir lehnten nicht ab.
Drugg war in seinem Element. Er bewegte sich wie eine Hausfrau, pfiff ein Liedchen oder grinste vor sich hin. Wahrscheinlich war er froh, dass wir ihn aus der Einöde
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