0794 - Sieben Leben, sieben Tode
rechte Ohrläppchen lief.
Noch zwei Mal drückte er ab. Beide Kugeln rasten knapp über Bernau hinweg in den Spalt, in dem sich der Schatten aufbäumte und zurückgeschleudert wurde.
Zamorra ließ die Pistole fallen und zog Bernau zu sich heran. Diesmal spürte er keinen Widerstand. Das Scharren und Reißen hatte auf gehört. Meter um Meter legten sie zurück, bis ihn schließlich die Hände der anderen ergriffen und aus dem Tunneln zogen.
Im diffusen Licht sah er die Grimasse von Tony Ehrmann über sich. Susanne Greve redete auf ihn ein. Er hörte ihre Worte wie aus weiter Ferne.
Taub war er nicht. Aber er würde Zeit brauchen, um sich zu erholen. Minuten, vielleicht Stunden.
Er wälzte sich herum und blickte auf die Tunnelöffnung, in der jetzt Bemaus Gesicht zu sehen war. Ein dünner Blutfaden, der stetig breiter wurde, sickerte unter seinem Körper hervor.
Susanne Greve schrie irgendetwas und ging zitternd in die Knie. Bernaus glasiger Blick traf den Meister des Übersinnlichen mitten ins Herz.
Bernau war tot.
Zamorra war zu spät gekommen, und jetzt fühlte er sich so elend wie selten zuvor in seinem Leben.
***
Kommissar Werner präsentierte dem dürren, spitzbärtigen Weißkittel seinen Ausweis.
»Kriminalpolizei. Wir möchten uns mit Ihrem Patienten Peter Sanders unterhalten.«
Der Arzt blickte Werner und Nicole Duval durch die bierflaschenbodendicken Gläser seiner Hornbrille missbilligend an. »Der Patient ist nicht zu sprechen! Braucht Ruhe. Viel Ruhe.«
Kommissar Werner machte ein Gesicht, als hätte er in eine Zitrone gebissen. Das sagen sie immer, die Weißkittel, dachte er grimmig. Ganz gleich, ob es einen Grund dafür gibt oder nicht. Manchmal fragte er sich, warum die Ärzte - und er hatte bisher noch nie eine Ausnahme von dieser Regel erlebt -das taten. Um die Patienten vor Stress zu bewahren? Oft genug half es den Opfern, darüber zu reden, um das Geschehene zu verarbeiten, damit fertig zu werden. Abgesehen davon, dass die Polizei mit dem gewonnenen Wissen eher dafür sorgen konnte, solche Vorfälle zu verhindern und die Täter hinter Schloss und Riegel zu bringen, was schlussendlich auch dem Opfer half. Aber so weit schienen die Götter in Weiß nicht denken zu können… oder zu wollen…
»Wann wird er wieder auf den Beinen sein?«, drängte er.
»Er hat schwere innere Verletzungen. Quetschungen, Blutungen, Organverletzungen, Knochenbrüche. Kommen Sie in zwei Monaten wieder…«
Nicole schob sich vor und blickte den Arzt mit einem schmachtenden Augenaufschlag an. »Ich bin sicher, dass Sie nur das Beste für Ihre Patienten wollen und dass unser Zeuge bei Ihnen hervorragend aufgehoben ist. Trotzdem müssen wir ihn sprechen.«
Der Spitzbart blinzelte, während sich seine Blicke in ihrem Ausschnitt verloren. »Aber d-das geht einfach nicht, Mademoiselle. Ich würde ihn einer großen Gefahr aussetzen.«
»Auch wenn Sie bei der Befragung dabei sind?«
»Tja, also… Hm… Das wäre natürlich etwas anderes…« Er nickte zögernd. »Folgen Sie mir bitte.«
Kommissar Werner blinzelte fassungslos.
In dem Krankenzimmer erwartete sie ein breites Bett, in dem erst auf den zweiten Blick, verborgen unter Verbänden und Infusionsschläuchen, die Umrisse eines Menschen sichtbar wurden. Einige Maschinen neben dem Bett piepsten und schnauften in monotonem Rhythmus. Der Patient war bei Bewusstsein. Er hatte die Augen geöffnet, schien die Besucher jedoch überhaupt nicht wahrzunehmen.
»Herr Sanders, können Sie mich hören?«, fragte Werner.
Der Angesprochene nickte langsam.
»Wir benötigen einige Informationen über die Bruderschaft. Können Sie sich an die letzte Nacht erinnern… die Schwarze Messe in Altona? Sie waren dabei anwesend.«
Keine Reaktion.
»Herr Sanders hat mehrere Quetschungen in Brust und Lunge erlitten«, mischte sich der Arzt ein. »Er kann Sie verstehen, aber nichts erwidern. Am besten stellen Sie ihm Fragen, die er mit Ja oder Nein beantworten kann.«
»Wir benötigen Informationen über den Meister, Herr Sanders«, fuhr Werner fort. »Ist er bei dem Einsturz des Gebäudes ums Leben gekommen?«
Keine Reaktion.
»Kennen Sie seine Identität?«
Sanders schüttelte kaum merklich den Kopf.
Werner stellte weitere Fragen, aber so kamen sie nicht weiter. Er war sich nicht einmal sicher, ob der Patient ihn richtig verstand.
Wieder ergriff Nicole die Initiative. »Waren Sie schon sehr lange Mitglied der Loge?«
Ja.
»Kannten Sie den Meister?«
Nein.
»Oder die
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