0795 - Entführt in die Totenstadt
Asha selbstbewusst.
Zamorra beobachtete die Szenerie unbehaglich. Wenn es nach ihm ginge, wären sie etwas diplomatischer vorgegangen. Also beschloss er, sich in das Gespräch einzumischen, ehe die Situation völlig eskalierte. »So sehen wir uns wieder, Yama. Warum hast du Vasu entführen lassen?«
Zu seinem Erstaunen antwortete der Totengott auf die direkte Frage bereitwillig. »Du als sein Künder weißt natürlich, dass es Vasus Aufgabe ist, für einen Ausgleich zwischen Göttern und Dämonen zu sorgen.«
Zamorra nickte zur Bestätigung, wartete aber die weiteren Worte Yamas ab.
»Ich werde das Baby zugunsten der Dämonen in die Waagschale des Schicksals werfen!«
»Was ist dein Ziel damit?«, fragte Zamorra überrascht. »Du bist selbst ein Gott, also dürfte es dir gelegen sein, wenn die Waagschale zu Gunsten der Götter ausschlägt und nicht zugunsten der Dämonen.« Ihm dämmerte trotz seiner skeptischen-Worte, was Yama beabsichtigte. Dem Totengott lagen die Methoden der Dämonen näher als die der Götter, und er war nur auf seinen eigenen Vorteil bedacht…
»Ich benötige die Unterstützung der Dämonen, um meine Pläne zu verwirklichen«, gab Yama Auskunft. »Vasu wird der Sold dafür sein, sie auf meine Seite zu ziehen. Vor allem die titanischen Asuras, deren Hilfe ich besonders benötige, werden über meine Opfergabe sehr erfreut sein.« Yama trat bei diesen Worten einige Schritte auf sie zu.
An Asha gewandt ergänzte er: »Denke erst gar nicht daran, mich anzugreifen, Menschenfrau. Ich schütze mich mit einem Bann, den du nicht durch dringen kannst. Und unterschätze meinen Büffel nicht. Er sieht ein wenig plump aus, doch er kann sehr ungestüm werden. Er hat Befehl, jeden Angriff auf mich umgehend zu beantworten.« Mit einem schmerzlichen Grinsen ergänzte er: »Du wirst ihn nicht so leicht verscheuchen können wie meine Hunde.«
Dann sah er wieder Zamorra an, ließ Asha keine Zeit, eine Erwiderung zu formulieren. Er fuhr mit seiner unterbrochenen Erklärung fort. »Und mit der Unterstützung der Dämonen werde ich mein Ziel erreichen, das ich seit langem hege.«
»Deine Götterkollegen zu verraten, bereitet dir wohl keine Probleme?«, spottete Nicole.
Die Antwort bestand aus einem kurzen Auflachen. Yama sandte Nicole einen mitleidigen Blick. »Was gehen mich die Götter an, wenn meine eigene Position gestärkt wird?«
»Ich verstehe, warum du Vasu entführt hast«, sagte Zamorra. »Doch was ist dein Ziel, das du mit Hilfe der Dämonen erreichen willst?« Da der Totengott momentan besonders auskunftsfreudig zu sein schien, beschloss Zamorra, die Gunst der Stunde zu nutzen. Jede Information konnte später nützlich sein und gegebenenfalls gegen Yama ausgespielt werden.
»Ich werde Brahma vom Thron stürzen und seine Position einnehmen!«
Für Sekunden herrschte Schweigen nach dieser ungeheuren Aussage. Dann spuckte Asha Devi vor die Füße des Totengottes. »Du bist größenwahnsinnig!« Brahma war das Erste Bewusstsein des Universums, der Hauptgott des indischen Subkontinents, dem Legionen von Göttern und Halbgöttern Folge leisteten. Für Asha, die eine den Göttern gehorsame Inderin war, kamen die Worte Yamas einer ungeheuerlichen Blasphemie gleich.
»Größenwahnsinnig? Ich? Du vergisst, wer ich bin! Ich war der erste Mensch, der auf Erden geboren wurde und deshalb auch der erste, der dort starb. Ich bin der Sohn der Sonne, die jeden Abend sterben muss, und deshalb gehorchen mir die Toten! Wer ist Brahma gegen mich?«
Zamorra kannte die Stellung und die Herleitung Yamas, die dieser sehr von sich selbst überzeugt zum Besten gab, von seinen Studien der indischen Mythologie her. Aber ein Aufstand gegen Brahma selbst war seinem Wissen nach noch nie vorgekommen. Das war mit keinem der zahlreichen Ränkespiele vergleichbar, die die Mythologien aller Kulturen so farbenprächtig machten. Im Stillen gab er Asha Recht. Yama schien den Blick für die Realität verloren zu haben.
»Wo ist Vasu?«, lenkte Asha das Gespräch in eine andere Richtung. In die einzige, die sie wirklich interessierte.
»Er lebt noch«, gestand-Yama ein. »Er vollbrachte einen lächerlichen Ausbruchsversuch und tötete einige meiner Lakaien.« Asha empfand bei diesen Worten Mutterstolz und straffte sich zuversichtlich. »Doch ich zwang ihn in seine Babygestalt zurück, und er wird sie nicht wieder verlassen können, bis ich ihn geopfert habe.«
»Niemals«, zischte Asha.
»Du langweilst mich«, kanzelte Yama sie
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