0795 - Entführt in die Totenstadt
weiteres zugestimmt hatte, schoss sie dreimal auf das monströse Schlangenwesen. Es steckte die Kugeln weg, ohne die geringste Schmerzreaktion zu zeigen. »Dämonisch«, stellte Asha knapp fest und begab sich zu einer der zahlreichen Fensteröffnungen. Zamorra beobachtete sie, wie sie sich hinaus beugte. Tatsächlich meinte er wieder, einen hauchdünnen Stoff zerreißen zu sehen.
Ob diese Beobachtung von Nutzen war, würde sich zeigen. Zurzeit hatten sie anderes vor, als der Totenstadt Yamapura irgendwelche Geheimnisse zu entreißen. »Wir können hier raus«, meldete Asha. »Die Öffnung liegt nur etwa zwei Meter über dem Boden.«
Ehe Zamorra und Nicole bei ihr angelangt waren, war sie bereits gesprungen und winkte ihnen von unten zu. »Los!«, schrie sie ihnen entgegen.
Es wurde höchste Zeit. Nicole sprang mit einem eleganten Satz nach unten und kam federnd auf, Zamorra folgte ihr eine Sekunde später. »Was jetzt?«
»Nachdenken können wir später«, meinte Nicole und rannte los.
»Ganz meine Rede«, ergänzte Asha und folgte ihr.
Zamorra gelang es kaum, die beiden einzuholen. Als er sich etwa zwanzig Meter von dem Haus entfernt hatte, krachte es dort. Das Monstrum verließ das Gebäude auf demselben direkten Weg, wie es in es eingedrungen war.
Es blieb ihnen nur die Flucht, doch sie mussten sich etwas einfallen lassen. Auf die Dauer würden sie ihre Kräfte verlieren, ihr Verfolger jedoch nicht, ob er nun dämonisch war oder nicht.
Im Zickzackkurs rannten sie durch die Straßen und Gassen der Stadt. Manchmal hörten sie hinter sich, wie ihnen ein gewaltiger Körper folgte. Er zeichnete eine gewaltige Kriechspur in den Staub, der den Boden bedeckte. Vereinzelt trafen sie jetzt auf Bewohner der Totenstadt, Leichen, die ziellos umher wankten.
Sie durchquerten einige Gässchen, die zu schmal für den breiten Leib des Monstrums waren. Es bahnte sich mit Gewalt einen Weg und zermalmte einige kleinere Mauern. Dadurch gewannen sie einen gewissen Vorsprung. Zamorra brachte die kleine Gruppe zum Stehen.
»Wir müssen etwas tun!« Hastig zeichnete er einige Symbole in das graue, staubartige Etwas, das jeden Zentimeter des Bodens Yamapuras bedeckte.
Asha stimmte ihm zu. Sie zückte ihre Gebetsmühle. »Wir sind lange genug weggelaufen!«
Doch da geschah etwas, mit dem niemand gerechnet hatte. Ein Trampeln ertönte, das rasch lauter wurde. Es näherte sich.
Kurz darauf sahen sie in einer großen Staubwolke einen riesigen Büffel auf sich zukommen. Auf ihm saß ihr eigentlicher Gegner.
Yama, der Totengott!
***
»Ich wusste es, dass du versagen wirst«, sandte Yama eine telepathische Nachricht ins Hirn des Schlangendämons. »Zieh dich zurück!«
»Aber Herr«, antwortete der Dämon auf demselben Weg. »Ich werde die Frau und die anderen zur Strecke bringen! Lass mir nur noch ein wenig Zeit.«
»Schweig! Du hast versagt, und jedes deiner Worte ist nur ein weiterer Beweis deiner geistigen Armut. Sie treffen Vorbereitungen, dich zu bannen, und sie hätten dich ohne weiteres besiegt. Du hättest schneller sein müssen!«
Der Schlangendämon wagte keinen weiteren Widerspruch. Gehorsam stellte er die Verfolgung ein und kroch davon, erleichtert darüber, dass sein Versagen folgenlos blieb.
Das war beileibe nicht selbstverständlich. Yama war ein launischer Herrscher, der momentan jedoch guter Laune zu sein schien.
Doch da wurde er eines Besseren belehrt. Das Haus, an dem er gerade vorbei kroch, brach ohne ersichtlichen Grund zusammen. Er wunderte sich noch darüber, wie ein Gebäude, das von unveränderlicher Magie aufrechterhalten wurde, einstürzen konnte, als ein riesiges Bruchstück entgegen jedem Naturgesetz seine Fallrichtung änderte und seine beiden Schädel zerschmetterte.
***
»Nun ist das Vorgeplänkel also endlich beendet«, sagte Asha und stemmte beide Fäuste in die Seiten. Mit hoch gerecktem Kopf ging sie einige Schritte auf den Totengott zu, der sein Reittier angehalten hatte.
»Ich hörte über dich reden, Mutter des Halbgotts«, antwortete Yama. Er stand nun neben seinem Büffel, der keinen Zentimeter näher kam, aber stets mit den Hinterfüßen im Staub der Totenstadt scharrte. Ab und zu hörte man ein leises Schnauben von ihm. »Man sprach von deiner unendlichen Arroganz, die selbst die Götter erstaunt. Doch wie unverschämt du tatsächlich bist, überrascht mich dennoch.« Yama schien leicht amüsiert.
»Rede nicht, sondern gib meinen Sohn frei, bevor ich dich vernichte«, giftete
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