0796 - Luzifer
Worten schilderte er von der Anwesenheit Stygias und Calderones aus der anderen Welt und von ihrem Plan gegen den KAISER.
Seine eigene Rolle in dem Spiel verschwieg er dabei natürlich tunlichst.
»Wieso wendest du dich ausgerechnet an uns?«, fragte Ssacah mit sich hin und her wiegendem Schlangenkopf. »Andere können dir viel besser beistehen.«
»Aber ich muss erst lange nach ihnen suchen. Ihr seid hier.«
»Das ist kein Grund, uns übereilt in Gefahr zu begeben.« Marchosias, der geflügelte Wolf mit dem Schlangenschweif, machte Anstalten, kurzerhand zu verschwinden. »Ich werde nach weiterer Verstärkung suchen.«
»Das wird der KAISER aber anders sehen. Er wird glauben, ihr wärt zu feige gewesen, selbst zu kommen, um ihm beizustehen.«
Der Marquis stieß einen drohenden Laut aus.
»Andererseits wird er zweifellos zu würdigen wissen, wenn wir es sind, die ihm zu Hilfe eilen«, fügte Merlin seinen Worten schnell hinzu. »Ihr kennt seinen Dank seinen loyalen Untergebenen gegenüber.«
Er ließ seine geschickt gewählten Worte einige Sekunden wirken, und sie verfehlten ihre Wirkung nicht. Ssacah und Marchosias blieb gar nichts anderes übrig, als ihn zu begleiten, wenn sie sich in der Hierarchie nicht ins Abseits stellen wollten. Schneller als der Spiegelwelt-Merlin zu hoffen gewagt hatte, waren sie an dem Punkt, an dem er sie haben wollte. Wenn er keinen groben Fehler beging, konnte er noch als Nutznießer aus dieser unseligen Angelegenheit herausgehen.
Plötzlich fiel ihm ein, dass er einen vergessen hatte, und genau der konnte ihm noch einen Strich durch die Rechnung machen. Zwar verfügte auch der nur über ein begrenztes Machtpotential, aber gegen seine Position konnten sämtliche Erzdämonen zusammen nichts ausrichten, weil der KAISER selbst hinter ihm stand.
Doch wo steckte er?
Wo war Lucifuge Rofocale?
***
Träger, eisiger Wind, der ein flüsterndes Klagen mit sich trug, kroch Stygia und Rico Calderone entgegen. Aus dem Felsgestein waren mächtige Steinblöcke geschlagen, die wie Monolithe aufragten und knöchernen Fingern gleich himmelwärts strebten.
Blutrot wölbte sich der Himmel über ihren Köpfen, düsterer und bedrohlicher noch als an jedem anderen Ort der sieben Kreise. Dies war das eigentliche Zentrum der Hölle, der seit Äonen angestammte Sitz LUZIFERs.
Von dem manche inzwischen behaupteten, er existiere überhaupt nicht.
»Spürst du seine Präsenz?«, fragte Stygia unbehaglich, und Calderone musste sich eingestehen, dass es ihm nicht viel besser erging. Trotz seiner hochtrabenden Worte fühlte er sich unwohl und erwartete unwillkürlich eine Art Wahnsinnsstrahlung, die nach seinem Verstand griff, um ihn zu vergiften.
Doch nichts geschah, und allmählich beruhigte er sich wieder. Mit einem beiläufigen Blick überflog er die Szene, seine Spezialwaffe im Anschlag. Wenn LUZIFER sich ihm entgegenstellte, würde er kurzen Prozess machen, KAISER hin oder her.
»Verlassen«, presste er zwischen den Lippen hervor. »Anscheinend hast du dich doch getäuscht, meine Liebe.«
»Habe ich nicht.« Stygia produzierte einen magischen Abwehrwall, um nicht von einem plötzlichen Angriff überrascht zu werden. »Er steckt hier irgendwo.«
Vielleicht hatte er aber auch die Flucht ergriffen, als er erkannt hatte, dass die Flammenwand Stygias Fähigkeiten nicht ausschalten konnte. Sie gab ein humorloses Lachen von sich. LUZIFER auf der Flucht, die Vorstellung war einfach zu grotesk.
»Es gibt nur einen Weg, den er gewählt haben kann.« Sie deutete in eine bestimmte Richtung, und das ungleiche Paar setzte sich in Bewegung.
Die gewaltige Halle wurde von steinernen Wänden eingefasst, die in schwindelerregende Höhen aufstiegen. Ihr oberer Abschluss war vom Boden aus nicht zu sehen. Vielmehr schienen sie in dem brodelnden Bluthimmel zu versinken wie Gestein in glutflüssigem Magma.
»Hörst du das?«
Calderone hielt den Atem an und lauschte. Dumpfes Pochen wurde vom jenseitigen Ende der Halle an seine Ohren getragen. Die Geräusche sich hastig entfernender Schritte, oder doch etwas anderes? Unvermittelt rannte er los.
»Komm schon!«, rief er Stygia zu, ohne sich nach ihr umzusehen.
»Was hast du vor? Wir kennen uns hier nicht aus.«
»Lächerlich! Bleib einfach an meiner Seite.«
Stygia blieb nichts anderes übrig, als seiner Aufforderung nachzukommen, wenn sie nicht getrennt werden wollten, denn Calderone dachte gar nicht daran innezuhalten. Sie stieß einen wilden Fluch aus, wagte
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