0797 - Rasputins Tochter
zu und schaute sich um, als wir mit knirschenden Schritten auf das Klosterportal zugingen. »Wenn sie singen, können sie nicht tot sein.«
»Das habe ich auch gedacht«, sagte Wladimir.
Diesmal hatten wir Fjodor die Führung überlassen. Er brachte uns in einen Innenhof, wo hohe Mauern düstere Schatten warfen, in die nur hin und wieder ein Lichtschein hineinfiel, der aus den zahlreichen Fenstern drang.
Beinahe alle Mönche hielten sich in der Kirche auf. Die Zellen und Versammlungsräume standen leer. Sie boten sich als Verstecke an, ebenso wie der Garten, der nicht so dunkel war, weil die weiße Schneeschicht den Boden bedeckte.
Über eine vom Schnee befreite Steintreppe erreichten wir einen kleinen Seiteneingang. Fjodor wusste, dass die Pforte nicht verschlossen war. Mit der Schulter drückte er die Tür auf, die in den Angeln quietschte, und wir schritten über einen glatten Fliesenboden hinweg in das geheimnisvolle, von Kerzen- und Fackellicht nur spärlich erhellte Kloster.
Der gregorianische Gesang war allgegenwärtig. Er floss auf uns zu. Mal lauter, mal leiser, und er hörte sich an, als würde er auf mächtigen Flügeln getragen.
Es war kalt zwischen den Mauern. Wärmende Kaminfeuer gab es kaum. Fackeln und Kerzen rußten fast immer, sodass sich an den eigentlich hellen Wänden zahlreiche dunkle Flecken zeigten. Am Beginn eines Kreuzgangs blieben wir stehen, weil der vor uns gehende Fjodor die rechte Hand angehoben hatte.
Nicht weit entfernt brannten Kerzen. Sie standen in schmucklosen Ständern. Das Gesicht des Mönchs zeigte sich entspannter, wenn auch verfremdet, weil der Widerschein Flecken auf seiner Haut hinterließ. »Wir sind früh genug gekommen. Ich werde dem Herrgott dafür meinen Dank aussprechen, aber wir haben noch nicht gewonnen. Ich muss meine Brüder über die neue Lage informieren, auch wenn ich sie während der Andacht störe. Wir müssen eine Versammlung abhalten.« Er hatte mehr zu sich selbst gesprochen.
»Wartet bitte hier, ich möchte die Brüder erst darauf vorbereiten, dass ich nicht allein hergekommen bin.«
Wladimir trat an ihn heran. »Willst du ihnen alles sagen? Willst du sie einweihen?«
Der Mönch zögerte. »Ich weiß es nicht. Uns bleibt nicht viel Zeit, deshalb kann ich ihnen keine Einzelheiten erklären. Sie sollen aber die globale Bedrohung schon begreifen, denke ich.«
Die nächste Frage wunderte ihn, denn ich stellte sie. »Gibt es keinen elektrischen Strom hier?«
»Nein, so weit sind wir noch nicht. Wir hoffen, dass sich das bald ändert. Bedenke die Zeiten, die hinter uns liegen. Wir haben manchmal um unser Leben fürchten müssen, später kamen wir dann besser zurecht, aber viele Klöster sind auch zerstört oder zu Schulen des Systems umfunktioniert worden. Zum Glück haben sie nicht alle geschafft.« Er hob die Hand und entfernte sich. Wir schauten ihm nach, wie die Schatten des Ganges ihn verschluckten.
»Was machen wir?«, fragte Suko.
»Auf ihn warten, denke ich.«
»Gefällt mir nicht.«
»Warum nicht?«.
Suko schaute an Wladimir vorbei, mit dem er sich unterhalten hatte. »Es ist so, als hätte man uns in ein Korsett gepresst. Ich spüre, dass etwas lauert, auf uns zukommt. Vielleicht sind sie schon hier und halten Räume besetzt. Was meinst du, John?«
Er hatte gegen meinen Rücken gesprochen, denn ich stand am Fenster und schaute hinaus in den Hof, wo über der Schneefläche eine graublaue Dunkelheit lag, die sich mit den Schatten der Mauern vermischte. An einigen Stellen glühte der Schnee auf, wenn er vom Schein des aus den Fenstern fallenden Feuers getroffen wurde.
»Du kannst Recht haben. Ich denke, dass auch Larissa weiß, dass sie gejagt wird. Sie ist schlau, durchtrieben und gleichzeitig tödlich. Sie wird ihre Raffinesse auf die Mönche übertragen haben. Wir müssen damit rechnen, dass sie sich einen raffinierten Plan gebastelt haben.«
»Mich wundert es nur, dass wir den Lastwagen nicht gesehen haben«, sagte Wladimir.
»Man kann ihn versteckt haben.«
»Wo denn, Suko? Die Gegend hier ist wald- und strauchlos. Wir liegen wie auf dem Präsentierteller.«
Ich drehte mich um. »Da hat Wladimir Recht. Auch ich denke dar über nach, wo dieser Wagen sein könnte. Da muss irgendetwas schiefgegangen sein. Die andere Seite muss davon ausgehen, dass sie nur etwas erreichen kann, wenn sie schnell ist. Wenn wir ehrlich sind, haben wir doch damit gerechnet, Tote vorzufinden, oder nicht?«
Beide Männer nickten.
»Aber die Mönche
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