0797 - Rasputins Tochter
Bord gehen, doch eine Ahnung sagte ihr, dass es anders kommen würde.
Es gab noch etwas zu erledigen, und dies würde in einem Furiosum aus Blut und Chaos enden.
Wo sie lag, konnte sie nicht erkennen, die Schwärze hatte die gesamte Umgebung gefressen, aber Larissa fühlte sich nicht unwohl, sie spürte, dass sie nicht allein war.
Äußerlich war nichts zu sehen, die Schwärze lag wie eine Decke über dem Lagerraum. Larissa hörte auch keine fremden Geräusche, nur das ferne Dröhnen und Rauschen, das entstand, wenn Wellen gegen die Bordwand schlugen und das Schiff zum Schaukeln brachten. Es war eine ruhige Nacht, die See hatte sich geglättet, ein ziemlich klarer Himmel, kaum Wolken, wenig Gestirne, das wusste sie noch aus der Erinnerung, aber diese Nacht sollte zur Hölle werden, das stand fest.
Sie wusste ja, was die beiden Männer von ihr wollten. Sie würden zurückkehren und sich wie die wilden Tiere auf sie stürzen. Als ob sie dies nicht schon alles hinter sich gehabt hätte. Nur war es damals ein Hundesohn namens Valentin Smirnow gewesen. Er lebte nicht mehr, die Klinge hatte seinem Leben ein Ende gesetzt.
Jetzt musste sie sich auf die neuen Gegner konzentrieren, und Larissa tat eigentlich nichts. Sie blieb starr auf dem Rücken liegen, schaute hoch, ohne die Decke sehen zu können, und sie wartete darauf, dass sich beruhigte.
Nicht mehr allein sein. Jemand bei sich haben… darauf allein lauerte sie.
Sie wurde nicht enttäuscht. Es war keine Stimme, die flüsternd ihre Ohren erreichte, es war etwas, das sich allein auf ihren Kopf konzentrierte und sich dabei in seinem Innern abspielte. Über unendliche und unbegreifliche Entfernungen hinweg gab es jemanden, der dabei war, Kontakt mit ihr aufzunehmen.
Nur eine kam in Frage.
Sie sprach den Namen nicht aus, aber über ihre Lippen glitt ein glückliches Lächeln. Jetzt spürte sie den Schutz und wusste, dass nichts mehr schief gehen konnte.
Einige Minuten vergingen, es hatte sich nichts verändert, und Larissa konnte sich nicht mehr zurückhalten.
»Mamutschka…?«, fragte sie und schickte dabei ihre Stimme wie einen Hauch in die Finsternis.
Keine Antwort im akustischen Sinne, dafür nahm der Druck hinter ihrer Stirn zu.
Ja, das war sie. Mamutschka war gekommen, um ihr den Schutz zu geben, den sie brauchte. Sie hatte sie durch eine Hölle in London gehen lassen, aber Larissa war gestärkt daraus zurückgekehrt. Was mich nicht umbringt, macht mich härter , hatte sie sich gesagt. Zusammen mit dem Blut der Alten war sie unbesiegbar geworden.
Ihre Hände waren noch gefesselt, doch es störte sie nicht. Sie lagen auf ihrem Bauch, und Larissa wusste, dass sie keine Fessel der Welt von ihrem Vorhaben abbringen würde. Sie musste nach St. Petersburg und als einzige Frau in den alten Zirkel der Jünger eindringen, und sie würde sich bald mit ihrer Generalprobe beschäftigen.
In ihrem Kopf meldete sich die verstorbene Mamutschka zurück.
Sie berichtete davon, wie stolz sie auf ihre Nachfolgerin war und dass es jetzt an der Zeit war, zum Schluss zu kommen.
»Wie meinst du das?«
›Du bist ich, und ich bin du!‹ Es war Larissa ein Rätsel. Aber sie vertraute dem Geist der Mamutschka, der noch immer in ihrer Nähe verweilte und plötzlich in sie eindrang. Es ging ganz leicht, und Larissa verschloss sich ihm nicht. Sie hatte genügend Platz, der Geist brauchte keine Umwege zu machen. Er drang durch ihren Mund, durch die Nase, durch die Augen, durch die Ohren, er ließ sich nicht stoppen, er füllte sie ganz aus, er war einfach überwältigend.
»Mamutschka…« Larissa stöhnte den Namen. Ein Kraftstrom jagte durch ihren Körper. Sie hatte das Gefühl aufzustehen, stattdessen hob sie den Rücken nur kurz an, um einen Moment später wieder auf den harten Boden zu fallen.
Kaum hatte sie ihn berührt, da zerrte sie ihre Arme in verschiedene Richtungen weg.
Larissa hörte ein sirrendes Geräusch.
Etwas peitschte gegen ihre Handgelenke. Es waren die Reste der zerfetzten Stricke, die sie getroffen hatten.
Sie lachte innerlich auf.
Jetzt war sie frei!
Und die beiden Männer konnten kommen…
***
Andrej und Wassili konnten die Zeit bis zur Wachablösung kaum erwarten. Sie waren beide unruhig und sprachen flüsternd miteinander, was sie mit der Frau anstellen würden. Was danach kam, darüber machten sie sich keine Gedanken, allerdings konnte es Ärger geben, wenn man die Person entdeckte, und da hatten sie beinahe gleichzeitig dieselbe folgenschwere
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