0797 - Rasputins Tochter
Der Himmel hatte einen Vorhang vorgezogen. Er ließ ihn weit nach unten hängen, sodass er den Boden berührte, aber zwischendurch hatte er eine Lücke gelassen und den Bau des Klosters hineingestellt.
Wir hatten auf der Fahrt Pläne gemacht, sie wieder verworfen und waren letztendlich zu dem Entschluss gelangt, es einfach zu versuchen. Ohne Wenn und Aber in das Kloster zu gehen, die Jünger Rasputins vor vollendete Tatsachen zu stellen und möglichst auch die gefährliche Mörderin namens Larissa.
Wladimir Golenkow gehörte zu den glücklichen Besitzern eines guten Fahrzeugs. Er fuhr einen Volvo Diesel, einen robusten Wagen und im Osten sehr beliebt. Wir schaukelten über einen schmalen Weg dem Gemäuer entgegen, das auf uns einen sehr heruntergewirtschafteten und auch verlassenen Eindruck machte.
Ich saß neben Wladimir und schüttelte den Kopf. »Es sieht mir nicht eben bewohnt aus.«
»Stimmt.«
Vom Rücksitz aus meldete sich Fjodor. Er hatte die Fahrt über geschwiegen. »Wir müssen natürlich damit rechnen, dass sie etwas bemerkt haben«, sagte er. »Im schlimmsten Fall stehen ihre Pläne kurz vor der Vollendung. Dann könnten sie ihren Stützpunkt verlassen haben.«
»Um wohin zu gehen?«, fragte Suko.
»Ich weiß es leider nicht, denn ihre Pläne sind mir unbekannt. Es ist wohl alles etwas kompliziert.«
Wladimir hielt sich zurück. Er fuhr, und er ließ den Wagen dicht vor dem Gemäuer ausrollen. Der Wald stand auf der anderen Seite und warf zusätzlich einen Schatten. Er legte sich wie ein dunkler Schutz über das nicht sehr hohe Dach.
Ich war als Erster ausgestiegen und saugte die Luft ein. Sie war sehr feucht geworden. Wahrscheinlich würde es noch in der Nacht anfangen zu schneien. Im Moment war nichts zu hören. Ich fühlte mich von der Stille umfangen. Das schmutzige Glas der Fenster ließ keinen Blick in das Innere zu, und doch sah ich beim Näherkommen etwas.
Licht?
Wenn ja, dann bewegte es sich, denn hinter einer der grauen Scheiben lag ein heller Schimmer, der auch Suko aufgefallen war, als er neben mich trat. »Das erinnert mich an Kerzenlicht.«
»Dann ist doch jemand da.«
Der Inspektor hob die Schultern.
Wladimir und Fjodor standen an der Tür. Sie glich schon mehr einem Portal. Wohl keiner der beiden hatte damit gerechnet, dass es sich so leicht öffnen ließ. Es schwang nach innen, und der Mönch zuckte unwillkürlich zurück, so erschreckt hatte er sich.
Golenkow zog seine Waffe. Er zielte in die Halle hinein, ohne jedoch einen Menschen zu sehen. Dafür traf sein Blick die im Halbkreis aufgestellten Kerzen, an deren Dochtenden Flammen tanzten, die sich nun im hereinfahrenden Luftzug bewegten, als wollten sie sich vor uns verneigen.
An der Tür drängten wir uns zusammen und starrten in die Stille, in der auch irgendwo eine Erinnerung lag. Jedenfalls kam es mir so vor. Ich hatte den Eindruck, als wäre das Kloster einmal bewohnt gewesen und erst vor kurzem verlassen worden.
Hinter Wladimir schob ich mich in die Halle. Suko blieb neben mir, Fjodor folgte langsamer.
Wir verteilten uns. Zu sprechen brauchten wir nicht. Jeder wusste, was er zu tun hatte.
Es war und blieb still. Suko schaute sich die Treppe an, ging dann hoch, und wir sahen ihn auf einer Galerie stehen und auf uns herabschauen. Er hob die Schultern. »Hier ist nichts«, rief er nach unten.
Gegen sein Gesicht flackerte der Widerschein.
»Ist überhaupt jemand hier?«, fragte Fjodor. Er hatte mehr zu sich selbst gesprochen und gab sich auch eine Antwort. »Ich denke nicht.« Er bewegte seine Nase. »Wonach riecht es hier? Nach Rauch.« Wieder nickte er sich zu. »Ja, es riecht nach Rauch, aber ich spüre gleichfalls den anderen Geruch, der einfach nicht verschwindet.« Seine Augen funkelten. »Blut«, flüsterte er dann. »Hier riecht es nach Blut. Ich bin da sehr sensibel, ich weiß, wie Blut riecht und schmeckt.« Er räusperte sich. »Etwas ist hier geschehen. Ein Ritual, nehme ich an. Sie haben sich gefunden.« Er streckte die Arme aus und bewegte die Finger. »Irgendwo hier haben sie ihr die Referenz erwiesen.«
»Sie sprechen von Larissa?«
»Ja, ja.« Er nickte. »Die Mörderin Larissa. Sie ist hier gewesen. Sie hat die Führung übernommen, glaubt mir.«
Es waren Theorien. Wir konnten keine Beweise liefern, aber unser Freund Wladimir kam wieder auf die Tatsachen zu sprechen. Er sagte in die nachdenkliche Stille hinein: »Es wird wohl außer mir niemandem aufgefallen sein, denke ich. Aber ich habe vor
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