0797 - Rasputins Tochter
dem Haus Spuren im Schnee entdeckt. Wir wissen, dass Larissa sich einen Lastwagen besorgt hat, mit dem sie unterwegs ist. Sie ist mit ihm angekommen. Seine Reifenspuren haben sich in den Schnee eingedrückt, und ich denke, dass sie auch wieder von hier verschwunden sind. Alle, Larissa und ihre neuen Freunde oder Diener, wie immer ihr auch wollt.«
Wir dachten über seine Worte nach. Ein jeder musste zugeben, dass Wladimir ins Schwarze getroffen hatte. Ja, das ist es gewesen, zum Henker. Larissa hatte sich das Fahrzeug nicht grundlos besorgt.
Sie war mit ihm hier hergekommen, hatte sich zu erkennen gegeben, war akzeptiert worden und anschließend zu einem unbekannten Ziel gefahren.
Ich stellte den Kragen meiner Jacke hoch, weil ich im Nacken ein Frösteln spürte. Es lag nicht nur an der Kälte, dieses Gefühl stieg von innen hoch, und ich krauste die Stirn, denn meine eigenen Gedanken gefielen mir überhaupt nicht.
»Die haben etwas vor.« Wladimir sprach sie aus. »Ja, verdammt, die haben was vor.«
»Und was?«, fragte mein Kollege.
»Suko, ich habe keine Ahnung…«
Fjodor bewegte sich. Seine Schritte schleiften dabei über den Steinboden. Er hielt den Kopf gesenkt, als wollte er die Muster beobachten, die das Kerzenlicht zusammen mit den Schatten auf dem Untergrund hinterlassen hatte.
Er dachte nach, wir störten ihn nicht, denn uns war klar, dass er uns eigentlich nur weiterhelfen konnte, denn Fjodor war der Fachmann, der Warnende, er hatte sich auch mit den verfluchten Jüngern Rasputins beschäftigt.
Der Mönch blieb stehen, hob den Blick an und betrachtete die Kerzenflammen, als würde sich dort die Lösung seiner und unserer Probleme abzeichnen.
»Sie waren hier, jetzt sind sie weg«, fasste er noch einmal zusammen. »Und leider gehören sie auch zu den Wissenden. Es ist ihnen bekannt, dass wir, der andere Orden, sie auch zu den Zeiten des Regimes nie außer Kontrolle ließen. Sie und wir kommen nicht zusammen, wir sind nicht nur verschieden, wir sind Feinde. Unser Orden hat sich immer gegen Rasputin gestellt. Er mochte ihn nicht, er hasste ihn. Er wusste, dass nur Böses kommen konnte, denn Rasputin hat es vortrefflich verstanden, die Menschen in seinen Bann zu ziehen. Er vermischte Licht mit Schatten, Gutes mit Bösem, und er war dabei die zentrale schillernde Person. Mensch, Dämon, Arzt, Giftmischer, Satanist, Magier, er war einfach alles. Wenige haben dies durchschaut, unser Orden gehörte dazu. Das Wissen wurde weitergegeben, aber das geschah ebenso auf der anderen Seite. Die Jünger Rasputins können sich denken, dass wir nicht aufgegeben haben, gerade jetzt nicht, wo in unserem Lande wieder Religionsfreiheit herrscht.« Er drehte sich um, denn er wollte Wladimir direkt ansprechen. »Wie würdest du reagieren, wenn du zu den Jüngern Rasputins gehörtest oder sogar der Anführer wärst?«
»Nun ja«, Wladimir hob die Schultern, denn die Frage hatte ihn ein wenig überrascht.
»Bitte, was würdest du tun?«
»Mich um meine Feinde kümmern.« Fjodor nickte zweimal. »Sehr gut, mein Freund, genau das ist es. Sich um die Feinde kümmern, und zwar um die, die am gefährlichsten werden können. Die auch in der Lage sind, andere Menschen aufzuklären. Weißt du nun, was ich meine?«
Bevor Wladimir eine Antwort geben konnte, hatte ich schon eine Frage gestellt. »Wo finden wir euer Kloster?«
Fjodor breitete die Arme aus. »Wir sollten uns beeilen, denn auch sie sind motorisiert.«
Er hatte versucht, seine Stimme in die Gewalt zu bekommen. Das Zittern, eine Folge der Angst, war dennoch nicht zu überhören. Sollte er Recht haben, dann war das Leben seiner Freunde nicht viel wert. Dafür stand allein schon die Massenmörderin Larissa.
Für uns wurde es ein Kampf gegen die Zeit…
***
Wir hatten das ebenfalls einsam liegende Kloster des orthodoxen Ordens erreicht, und ich kam mir vor wie in einer märchenhafte Kulisse.
Inmitten der weißen Schneefläche stand der Bau mit seinen Türmchen und Erkern, der Kirche mit dem Kuppeldach, das grüngolden schimmerte.
Wir störten.
Aber wir waren über diese Störung froh. Hinter den Mauern der Kirche hörten wir den Gesang der Mönche. Er floss ins Freie hinaus.
Die alten Choräle, seit Jahrhunderten überliefert, flößten mir einen Schauer ein. Sie waren in der letzten Zeit modern geworden. Man setzte sie als Untermalung in Gruselfilmen ein, und hier hörten sie sich tatsächlich unheimlicher an als im Kino.
»Sie singen«, flüsterte mir Suko
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