0797 - Tränenjäger
für ihn, dass ausgerechnet von Seiten des Verräters Don Jaime deZamorra die entscheidende Hilfe gekommen war. Ohne das Eingreifen des spanischen Clanführers wäre Sarkanas Ende besiegelt gewesen. Zamorra hätte ihn gnadenlos vernichtet.
Nun musste der Vampirdämon dieser Memme deZamorra auch noch dankbar sein! Ein unerträglicher Gedanke. Er hatte ihn mitsamt des Kindes mit sich genommen. Das Kind - Liberi - musste nach menschlichen Maßstäben längst eine erwachsene Frau sein, doch ihre Körpergröße war nach wie vor zwergenhaft.
Was konnte Sarkana nun tun? Liberi töten lassen - das war früher oder später notwendig, denn die heftige Reaktion, die ihre Tränen bei ihm auslösten, schien nicht unbedingt bei allen Vampiren aufzutreten. Einer seiner Untertanen würde die Arbeit gerne für ihn erledigen.
Doch was würde dann geschehen?
Sarkana wusste nur zu gut, dass ihn auf ewig die Ungewissheit quälen würde. Immer wieder würde er sich die Frage stellen, ob nicht irgendwo ein anderes Wesen auf ihn wartete, das den gleichen zerstörerischen Einfluss auf ihn ausüben konnte.
Sarkana wollte Sicherheit.
Der uralte Dämon wusste, dass er niemandem trauen konnte, doch wenn es irgendwen gab, der seine bohrenden Fragen beantworten konnte, dann war es Dalius Laertes. Er würde ihm nicht viel Zeit geben, und er konnte ihn natürlich nicht unbewacht lassen. Er hatte Laertes nie wirklich getraut, auch wenn es damals so ausgesehen hatte, als wäre der Philosoph unter den Vampiren auf Sarkanas Seite.
Ein besonderes Interesse hatte der Dämon an der Wirkung der Tränen auf andere Vampire. Wenn man sie konservierte, dann konnten sie vielleicht zu einer starken Waffe werden. Sarkana dachte an Tan Morano. Irgendwann würde es zu einem offen geführten Konflikt zwischen den beiden mächtigsten Vampiren kommen. Morano konnte sich nicht auf ewig aus allem heraushalten. Wenn er es doch versuchte, dann würde Sarkana nach ihm suchen. Es war nicht gut, einen Machtfaktor wie Morano aus den Augen zu verlieren.
Ein weiterer Trumpf konnte da sicher nicht schaden.
Und ein perfektes Objekt für diese Versuche hatte er schließlich längst gefunden.
Sarkana ließ Don Jaime deZamorra zu sich rufen.
***
»Hast du mich zu dem gemacht, was ich heute bin, Dalius?«
Khiras Stimme war schwach und kaum zu vernehmen. Doch Laertes verfügte über das ausgeprägte Hörvermögen der Vampirrasse.
»Du bist wach, Liberi? Ich bin schon eine ganze Weile hier, doch ich wollte dich schlafen lassen.« Laertes kniete sich neben Khira auf den kahlen Boden und reichte ihr eine Schale mit kühlem Wasser.
»Trink. Keine Sorge, das Wasser ist sauber. Ich stehe unter der Kontrolle von Sarkanas Aufpasserin, doch die ist auf der Jagd.« Dalius wusste, dass Orsina lybalt die Nahrungsmittel mit einem Sedativum angereichert hatte. Von sich aus wäre die Vampirin sicher nicht auf solch eine Idee gekommen. Sarkana hatte anscheinend an alles gedacht und selbst geplant.
»Beantwortest du mir meine Frage, Dalius?« Khira hatte die Schale in einem Zug geleert. Das saubere Wasser schmeckte ihr besser als der teuerste Wein. Sie fühlte sich wie neugeboren, auch wenn sie körperlich noch immer äußerst schwach war.
Der hagere Vampir sah in ihre wunderschönen Augen, die in seiner Gegenwart keinen Blutstropfen vergossen. »Ja, Khira, ich habe dich zu dem gemacht, was du bist. Und du musst mir glauben, dass ich mich dafür schäme. Doch nun kann ich es nicht wieder rückgängig machen. So sehr ich es auch möchte.«
»Nach so vielen Jahren… ich glaube, du schuldest mir endlich die Erklärung für alles, Dalius. Meinst du nicht auch?«
Wie viele Nächte hatte sie wach gelegen und sich immer wieder die gleichen Fragen gestellt: Warum bin ich so? Welchen Sinn hat das alles? Bin ich nur ein Werkzeug? Ein Mittel zum Zweck?
Sie wollte jetzt die Antworten hören.
»Die Antwort lautet Sarkana.« Laertes setzte sich mit untergeschlagenen Beinen neben Khira. »Es war immer sein Ziel, das Vampirvolk zur herrschenden Rasse zu machen. Doch mit welchen Mitteln? Hass, Krieg und Tod. Ein anderes Vokabular kennt er nicht. Er hat nie gesehen, welches Potential in diesem Volk ruht. Er wollte es nie sehen. Kunst, Wissenschaft, Philosophie - dazu sind wir berufen.«
Lächelnd warf Dalius einen Seitenblick auf Khira. Die junge Frau hörte ihm schweigend zu, doch er ahnte, welche Gedanken ihr durch den Kopf gingen.
»Jetzt hältst du mich für einen versponnenen Idealisten, der
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