0797 - Tränenjäger
Bemerkung fand er indessen wenig hilfreich.
Zamorra machte eine unwillige Handbewegung. »Geschenkt. Ich meckere ja nicht - ohne dieses TIPS sähen wir jetzt alt aus. Also los.«
Nicole ging intuitiv vor. Sie tat nichts anderes, als wolle sie über dieses Menü eine normale Sprechverbindung zu van Zants Handy herstellen. Einige Sekunden vergingen ereignislos, dann leuchtete ein gelb unterlegtes Quadrat auf, das die Displayfläche ganz ausfüllte. Und in diesem Quadrat blinkte ein roter Punkt.
Nicole stieß einen kleinen Jubelschrei aus. »Siehst du? Dort müssen wir Artimus suchen. Warte einmal.« Mit dem seitlich am Handy angebrachten Dial-Rad zoomte sie sich in andere Maßstäbe, bis sie eine deutliche Route von ihrem Standort zu van Zant erkennen konnten. Nicole speicherte diese Einstellung ab und ging zurück auf die höchste Zoomstufe.
»Ende der Welt, so wie es aussieht. Die Straße endet exakt bei van Zants Standort. Was glaubt oder hofft er wohl gerade dort zu finden?«
»Spielt jetzt keine Rolle.« Zamorra wollte keine unnötige Sekunde mehr verlieren. »Es scheint, als würden wir dort einen Geländewagen benötigen. Mit einem normalen PKW dürften wir diesen Punkt wohl kaum erreichen können.«
Zamorra erinnerte sich an eine große Autovermietung, die er vorhin gesehen hatte.
Das schreckliche Gefühl, auf jeden Fall zu spät zu kommen, nistete sich in seinem Denken ein. Doch das änderte nichts an der Tatsache, dass Nicole und er alles versuchen würden, um den Südstaatler zu retten.
Wenn er die Vampir-Attacke überhaupt überlebt hatte…
***
Nie gekannte Emotionen…
Er war verunsichert. Er hatte Stärke und Kraft bewiesen und ein ganzes Volk unter sein Joch gezwungen. Aus der Tiefe unter der ewigen Stadt Rom, dort, wo die Ruinen aus Jahrtausenden ruhten, hatte er den Ruf ausgesandt. Jeder Vampir dieser Welt hatte ihn vernommen. Jeder, ohne Ausnahme.
Es war der Blutzwang, mit dem er das Volk der Vampire auf seine Person einschwor. Auf ihren alten und nun auch neuen Herrn Sarkana!
Keiner von ihnen hatte widersprochen. Wer hätte es auch gekonnt? Wer hätte die Kraft und den Mut gehabt, sich Sarkana entgegen zu stellen?
Tan Morano? Nein, nicht einmal er. Morano hatte sich nicht gezeigt, war erst gar nicht gekommen. Er hatte nicht den Mut gehabt, sich aus dem Rattenloch zu trauen, in dem er sich versteckte. Sarkana triumphierte über alle.
Nicht mehr lange, dann war der Tag da, an dem er den großen Traum seines Volkes verwirklichte. Dann würden die Vampire an der Spitze der Hierarchie der dunklen Mächte stehen. Ein Platz, der ihnen allein gebührte. Sarkana wusste, dass die Mehrheit seines Volkes genau wie er dachte.
Der Tag des Blutzwangs hätte einen krönenden Abschluss finden können. Ein großer Feind war in Sarkanas Falle gelaufen: Gryf ap Llandrysgiyf - der Vampirjäger, der Druide vom Silbermond, verhasst und gefürchtet bei allen Kindern der Nacht. Auch er hatte sich Sarkanas Stärke beugen müssen. Hilflos hatte er auf seinen Tod gewartet, den der Vampirdämon entsprechend zelebrieren wollte.
Doch es kam, wie es schon so oft gekommen war. Zamorra und Duval erschienen, um ihren Kampfgefährten zu befreien. Selbst diesen Kampf hätte Sarkana niemals verloren, da war er sicher.
Nur gegen sie war er machtlos… gegen die blutenden Augen.
Zorn stieg in ihm empor. Machtlos war ein Wort, das nur auf seine Feinde zutreffen durfte. Niemals auf ihn! Zum zweiten Mal in seiner langen Existenz stand er diesem Phänomen, dieser Anomalie gegenüber. Und erneut erschütterte es ihn in den Grundfesten seiner schwarzen Macht.
Nicht Gryf ap Llandrysgryf oder Professor Zamorra waren es, die er zutiefst fürchtete.
Es waren diese beiden Augen, die so weit in ihn hinein sehen konnten. Und wenn sie weinten, dann schwemmten sie Sarkanas Macht davon.
Wie konnte es nur sein, dass das Kind noch lebte? War sie nicht vor mehr als zwei Menschenjahrzehnten gestorben, verdorrt und verfault wie all die anderen? War es möglich, dass sich Sarkana damals so geirrt hatte? Oder hatte man ihn ganz einfach getäuscht und betrogen? Die ganze Angelegenheit von damals war von Anfang an ein großer Fehler, den er nicht rechtzeitig erkannt und bereinigt hatte.
Escalus… Laertes - Liberi. Der Hof hoch im Norden des Landes, das die Menschen Finnland nannten. Er hatte das alles schon längst vergessen, verdrängt. Und nun kam das Kind zurück, erinnerte ihn mit Nachdruck an die Fehler der Vergangenheit.
Schändlich
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