0798 - Der Hausmeister
vor, er konnte alles nicht begreifen, aber es war eine Tatsache. Nicht nur weil sich der große, graue Geist bewegte, im Zimmer veränderte sich auch etwas, denn vom Fenster her erwischte ihn ein eisiger Luftzug. Er wehte über seih Bett hinweg, direkt in Dons Gesicht.
Da wusste er, dass es kein Traum war. Diese Gestalt gab es tatsächlich!
Und sie kam auf ihn zu.
Sie war die Kälte, die war unbegreiflich, sie war gleichzeitig auch der Tod!
Don Cavendish hatte dem Sensenmann schon mehr als einmal ins knöcherne Gesicht geschaut. Er hatte dieser Sonderbrigade angehört und Einsätze hinter sich, die mehr als lebensgefährlich waren. Aber nie war seine Furcht so stark und bedrückend gewesen wie in diesen Augenblicken, als das unbegreiflich Fremde auf ihn zukroch. Es war für ihn das Tier, das Böse, das Unheimliche, das Grauen aus einer anderen Welt, die ein Schlupfloch geöffnet hatte.
Sein Atem fror ein. Irgendwo hinten in der Kehle blieb er stecken, und er schaute zu, wie die sich am Fußende des Bettes stehende Gestalt lautlos nach vorn beugte, als wollte sie sich vor ihm verneigen.
Aber das hatte sie nicht vor. Sie drückte zwar ihren Körper dem Bett entgegen, aber sie glitt darüber hinweg und genau auf den Kopf des Kranken zu.
Don saß unbeweglich. Nicht einmal seine Wimpern zuckten. Er war zu Stein geworden, sein Verstand vollzog einfach nicht nach, was er da zu sehen bekam.
Und die Kälte blieb.
Sie kroch sogar näher. Sie drückte sich auf ihn zu, sie kam herbei, sie hatte Gestalt – ein Gesicht.
Es war die geisterhafte Fratze, die plötzlich dort vor ihm schwebte, wo die Hände flach auf dem Leinen lagen. Don konnte nichts tun, die Anwesenheit des anderen hatte seine Aktivitäten gelähmt, und er schaute nur nach vorn, direkt in die Fratze, die es tatsächlich war.
Ein Geist und ein Mensch!
Materie und Nichtmaterie mussten sich hier miteinander vermischt haben. Die einzelnen Züge waren deutlich zu erkennen, die Falten an den Wangen, die hohe Stirn und dahinter die Haare, die sich in einem dunkleren Grau abmalten. Don sah sogar die Augen.
Er fühlte sich von dem Blick dieser Geisterscheinung wie von einem Messer durchbohrt.
Die Kälte nahm zu.
Dünnes Eis kroch wie Nebelschwaden in seine Richtung. Es drängte nicht nur auf das Gesicht zu, es drang sogar durch die Decke und floss über die nackten Beine. War es eine Vorahnung? Oft genug hatten Menschen über den Tod geschrieben, wie es wohl war, wenn er zu ihnen kam. Cavendish erlebte es am eigenen Leib. Das war der Tod, der auf seinem Bett hockte, denn er hatte die andere, die Geisterwelt, verlassen, um an ihn heranzukommen.
Ein breiter Mund mit sehr blassen Lippen bewegte sich dicht vor ihm. Der Geist sprach, doch Don hörte kein Wort. Er verstand die Botschaft trotzdem und empfand sie als furchtbar.
Man kann mich nicht töten. Nicht mich, den Hausmeister, nicht Ewald Trigger.
Cavendish wollte etwas sagen. Seine Kehle saß zu. Der Mund stand offen, seine Lippen kamen ihm vor wie rissige, kleine Schläuche. Hinter der Stirn hämmerte es. Das Blut schoss viel schneller durch seine Adern, die Furcht drängte sich immer tiefer in sein Inneres, und ein leichter Schwindel hatte ihn erfasst.
Andere Mächte spielten mit ihm, den Wehrlosen, und das Grinsen im Gesicht der Erscheinung bewies ihm, dass dieser Besuch noch längst nicht beendet war.
›Ich werde mir deine Tochter noch holen. Ja, du kannst dich darauf verlassen. Ich hole sie und auch andere…‹ Nein, wollte Don schreien. Nein …
Es klappte nicht. Stattdessen bewegten sich gespreizte Hände auf ihn zu. Groß wie Grabplatten kamen sie ihm vor, und sie fanden ihr Ziel, denn die umklammerten seinen Hals von zwei verschiedenen Seiten.
Sehr sacht und sanft zuerst, dann aber stärker, denn sie drückten immer mehr zu.
Cavendish schnappte nach Luft. Er würgte, das fremde, vertraute und geisterhafte Gesicht verschwamm vor seinen Augen. Es verzerrte sich zu einer wahnsinnigen Fratze, zu einem zuckenden, irren Gebilde, das von einer Seite zur anderen huschte, aber nie verschwand.
Er schrie, jedenfalls glaubte er, das zu tun. Stattdessen aber würgte er nur. Die heiße Angst wühlte in seinem Körper. Sie fraß die Seele auf, sie machte ihn fertig, sie war wie Hitze und Eis zugleich, und er bewegte sich plötzlich unruhig in seinem Bett hin und her, wobei er achtgeben musste, dass er nicht über die Kante fiel und auf dem Boden landete.
Jemand öffnete die Zimmertür.
Ein Luftzug fuhr
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