08-Die Abschussliste
stimmt’s?«, fragte ich.
»Hier ist gewissermaßen das Parkhaus dafür«, gab er zur Antwort. »Die Vorschriften verbieten das Tragen persönlicher Waffen in Unterkünften.« Er sah dabei Summer an. Ich konnte mir denken, dass er dieses Frage-und-Antwort-Spiel schon einmal erlebt hatte, als sie auf der Suche nach Carbones neuer P 7 gewesen war.
»Was benutzt Sergeant Trifonow als Handwaffe?«, erkundigte ich mich.
»Trifonow? Er hat eine Steyr GB.«
»Kann ich die mal sehen?«
Er drehte sich zu dem Pistolenregal um und kam mit einer schwarzen Steyr GB zurück, die er am Lauf trug. Sie sah frisch geölt und gut gepflegt aus. Ich hielt einen der mitgebrachten Klarsichtbeutel für Beweismittel auf, und er ließ sie hineinplumpsen. Ich zog den Reißverschluss zu und begutachtete die Pistole durch das Plastikmaterial.
»Neun Millimeter«, stellte Summer fest.
Ich nickte. Die Steyr GB war eine gute Waffe, die jedoch Pech
gehabt hatte. Steyr-Daimler-Puch hatte sie konstruiert, als ein Großauftrag des österreichischen Bundesheeres winkte, der dann aber an die Konkurrenzfirma Glock gegangen war. So war die GB wie Aschenbrödel als unglückliches Waisenkind zurückgeblieben. Und wie Aschenbrödel besaß sie viele gute Eigenschaften. Ihr Magazin fasste achtzehn Schuss, also viel, aber sie wog ungeladen nur etwas über elfhundert Gramm, was wenig war. Sie ließ sich in zwölf Sekunden zerlegen und wieder zusammensetzen, also schnell. Und das Beste an ihr war ihr ausgeklügeltes Gasmanagementsystem. Alle Selbstladewaffen benutzen den Gasdruck im Patronenlager, um den Verschluss nach hinten zu drücken, damit er die leere Patronenhülse auswirft und eine neue Patrone zuführt. Aber im richtigen Leben sind manche Patronen alt oder schwach oder sonst wie mangelhaft. Sie erzeugen nicht alle den gleichen Gasdruck. Lädt man manche Waffen mit zu schwachen Patronen, ächzt der Verschluss nur, ohne zurückzugleiten. Erwischt man zu starke Patronen, kann die Waffe einem in der Hand explodieren. Aber die Steyr war dafür konstruiert, mit allen Extremen fertig zu werden. Wäre ich als Soldat der Special Forces auf zweifelhafte Munition angewiesen gewesen, die ich von irgendwelchen Partisanen bekam, mit denen ich mich gerade herumtrieb, hätte ich eine Steyr gewählt. Ich hätte sicherstellen wollen, dass die Waffe, auf die ich mich verließ, bei jedem Abdrücken auch wirklich schoss.
Durch das Plastikmaterial hindurch drückte ich den Auswurfknopf fürs Magazin hinter dem Abzug und schüttelte den Beutel, bis das Magazin aus dem Griff fiel. Es konnte achtzehn Schuss aufnehmen, aber ich zählte nur sechzehn. Ich umfasste den Verschluss und warf eine Patrone aus der Kammer aus. Also war er mit neunzehn Schuss losgezogen. Achtzehn Patronen im Magazin, eine im Lauf. Und er war mit siebzehn Schuss zurückgekommen. Sechzehn im Magazin, einer im Lauf. Folglich hatte er zwei Schüsse abgegeben.
»Kann ich hier mal telefonieren?«, fragte ich.
Der Waffenwart nickte zu einem zehn Meter von seinem Käfig
entfernten Telefon an der Hallenwand hinüber. Ich nahm den Hörer ab und wählte die Nummer meiner Dienststelle. Der Korporal aus Louisiana meldete sich. Die Sergeantin von der Nachtschicht war vermutlich noch daheim in ihrem Wohnwagen, brachte ihren Kleinen zu Bett, duschte, machte sich für die Fahrt zum Arbeitsplatz bereit.
»Verbinden Sie mich mit Sanchez in Jackson«, sagte ich.
Ich ließ den Hörer am Ohr und wartete. Eine, zwei Minuten lang.
»Was?«, fragte Sanchez.
»Haben sie die Patronenhülsen gefunden?«, wollte ich wissen.
»Nein«, sagte er. »Der Kerl muss am Tatort aufgeräumt haben.«
»Schade. Wir hätten sie vergleichen können, um einen Slam Dunk zu erzielen.«
»Ihr habt den Kerl gefunden?«
»Ich halte eben seine Pistole in der Hand. Steyr GB, voll geladen - bis auf zwei verschossene Patronen.«
»Wer ist er?«
»Das sage ich dir später. Diesmal sollen die Zivilisten eine Weile schwitzen.«
»Einer der Unseren?«
»Traurig, aber wahr.«
Sanchez sagte nichts.
»Haben sie die Geschosse gefunden?«, fragte ich.
»Nein«, antwortete er.
»Warum nicht? Er ist auf einer Gasse erschossen worden, stimmt’s? Wie weit können sie geflogen sein? Sie müssen in irgendeiner Mauer stecken.«
»Dann nützen sie uns nichts. Sie sind so deformiert, dass sie sich keiner Waffe mehr zuordnen lassen.«
»Das waren Stahlmantelgeschosse«, erinnerte ich ihn. »Die sind nicht deformiert. Zumindest könnten wir sie
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