08-Die Abschussliste
wiegen.«
»Sie haben sie noch nicht gefunden.«
»Suchen sie danach?«
»Keine Ahnung.«
»Haben sie schon Zeugen aufgetrieben?«
»Nein.«
»Haben sie Brubakers Wagen gefunden?«
»Nein.«
»Der muss irgendwo dort stehen. Er ist damit runtergefahren und zwischen Mitternacht und ein Uhr angekommen. Ein auffälliger Wagen. Suchen sie ihn denn nicht?«
»Hier gibt’s irgendwas, mit dem sie nicht rausrücken. Das spüre ich.«
»Ist Willard schon eingetroffen?«
»Ich erwarte ihn jeden Augenblick.«
»Bestell ihm, dass der Fall Brubaker gelöst ist. Und sag ihm, du hättest gehört, die andere Sache sei doch kein Dienstunfall gewesen. Das müsste ihm den Tag so richtig verderben.«
Dann hängte ich ein. Ging zur Waffenkammer zurück. Summer hatte den Eisenkäfig betreten und stand neben dem Waffenwart hinter dem Stehpult. Die beiden blätterten gemeinsam in seinem Ein- und Ausgangsbuch.
»Sehen Sie sich das an«, sagte sie.
Sie setzte beide Zeigefinger ein, um mir zwei Eintragungen zu zeigen. Trifonow hatte sich seine persönliche Neunmillimeterpistole Steyr GB am vierten Januar abends um 19.30 Uhr geholt. Zurückgebracht hatte er sie am fünften Januar morgens um 5.15 Uhr. Seine Unterschrift war groß und unbeholfen. Als Bulgare war er mit kyrillischer Schrift aufgewachsen und hatte vermutlich erst lernen müssen, seinen Namen lateinisch zu schreiben.
»Wofür hat er sie gebraucht?«, erkundigte ich mich.
»Danach fragen wir nicht«, sagte der Waffenwart. »Wir erledigen bloß den Papierkram.«
Wir verließen die Flugzeughalle und gingen zum Unterkunftsgebäude. Unterwegs kamen wir an einem Parkplatz unter freiem Himmel vorbei. Dort standen vierzig bis fünfzig Fahrzeuge. Typische Soldatenautos. Nicht viele Importwagen. Zum Teil
klapprige, einfache Limousinen, die meisten jedoch Pick-ups und große Coupés aus Detroit - manche mit Flammen- oder Streifendekor, andere mit aufgebocktem Heck, Chromfelgen und Breitreifen mit erhabenen Buchstaben. Wir sahen nur eine Corvette. Sie war feuerrot und stand drei Plätze vom nächsten Wagen entfernt ganz allein am Ende einer Reihe.
Wir machten einen Umweg, um sie uns anzusehen.
Die Corvette war ungefähr zehn Jahre alt. Sie sah innen und außen makellos sauber aus und schien erst kürzlich gründlich gewaschen und eingewachst worden zu sein. Ihre Radkästen waren sauber. Die Reifen glänzten schwarz. An der zehn Meter entfernten Hangarwand hing ein aufgerollter Schlauch. Wir schauten durch die Seitenfenster ins Wageninnere, das frisch gesaugt und gewienert wirkte. Der Wagen war ein Zweisitzer, aber er hatte eine Ablage hinter den Rückenlehnen. Ziemlich schmal, aber wahrscheinlich groß genug für eine unter einem Mantel versteckte Brechstange. Summer kniete sich hin und fuhr mit der Hand unter der Einstiegsleiste entlang. Zeigte mir dann ihre sauberen Finger.
»Kein Gruß von unbefestigten Straßen«, sagte sie. »Kein Blut auf den Sitzen.«
»Kein Joghurt auf den Teppichen«, fügte ich hinzu.
»Er hat ein Großreinemachen veranstaltet.«
Wir verließen den Parkplatz. Gingen durch das Haupttor hinaus und schlossen Trifonows Waffe vorn in unserem Humvee ein. Dann machten wir kehrt und liefen wieder zurück.
Ich wollte den Adjutanten nicht ins Spiel bringen, sondern lediglich Trifonow von hier wegbringen, bevor jemand mitbekam, was gespielt wurde. Deshalb suchten wir die Küche der Messe auf, und ich erteilte einem Steward den Auftrag, Trifonow zu finden und unter irgendeinem Vorwand durch die Küche zu schleusen. Dann traten wir wieder ins Freie hinaus und warteten. Fünf Minuten später erschien der Steward allein und meldete, Trifonow sei nicht in der Kantine.
Also machten wir uns auf den Weg zu den Zellen. Begegneten einem Soldaten, der aus der Dusche kam, und erkundigten uns bei ihm, wo sich Trifonows Zimmer befinde. Wir passierten Carbones leere Zelle. Trifonow war drei Türen weiter untergebracht. Der Raum stand offen. Der Mann saß auf dem schmalen Feldbett und las ein Buch.
Ich hatte keine rechte Vorstellung davon, was uns erwartete. Meines Wissens verfügte man in Bulgarien über keine Spezialeinheiten. Im Bereich des Warschauer Pakts gab es nur wenige wirkliche Elitetruppen. Die Tschechoslowakei hatte eine ziemlich gute Fallschirmjägerbrigade und Polen je eine Luftlandeund Amphibiendivision. Auch die Sowjetunion verfügte mit den Wysotniki über eine Elitetruppe. Ansonsten vertraute der Ostblock vor allem auf seine zahlenmäßige
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