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08-Die Abschussliste

08-Die Abschussliste

Titel: 08-Die Abschussliste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Child
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die Avenue entlang nach Norden. »Gleich dort vorn über die Brücke, dann der Straße nach auf der linken Seite. Immer geradeaus.«

    Ich lächelte zustimmend. Ihr Orientierungssinn war gut. Joe wirkte ein wenig verwirrt. Er hatte beobachtet, in welche Richtung sie zeigte, und wusste, welches Hotel sich dort befand.
    »Das George V.?«, fragte er.
    »Warum nicht?«
    »Auf Kosten der Army?«
    »Mehr oder weniger.«
    »Klasse!«
    Summer stellte sich auf die Zehenspitzen, küsste mich auf die Wange und schüttelte Joe die Hand. Wir blieben stehen und beobachteten, wie sie in Richtung Eiffelturm davonging.
    »Sie ist sehr nett«, bemerkte Joe. »Wo kommt sie her?«
    »Sie war in Fort Bird.«
    »Hast du schon rausgekriegt, was dort abläuft?«
    »Ich bin schon ein Stück näher dran.«
    »Hoffentlich! Du bist jetzt fast zwei Wochen dort.«
    »Erinnerst du dich an den Mann, nach dem ich dich gefragt habe? Willard? Er war irgendwann mal bei der Panzertruppe, stimmt’s?«
    Joe nickte. »Ich bin sicher, dass er ihr direkt unterstellt war. Hat seine Erkenntnisse gleich an die zuständige Stabsabteilung weitergegeben.«
    »Kannst du dich an irgendwelche Namen erinnern?«
    »In der Panzertruppe? Eigentlich nicht. Ich hab nie sonderlich auf Willard geachtet. Seine Arbeit schlug keine großen Wellen. Er besetzte nur eine Nische.«
    »Jemals von einem Kerl namens Marshall gehört?«
    »Kann mich nicht an ihn erinnern.«
    Ich schwieg. Joe drehte sich um und sah die Avenue entlang nach Süden. Er hüllte sich enger in seinen Mantel, wandte das Gesicht der Sonne zu.
    »Komm, wir wollen weiter«, sagte er.
    »Wann hast du sie zuletzt angerufen?«
    »Vorgestern. Du wärst als Nächster dran gewesen.«
    Wir setzten uns wieder in Bewegung.

    »Sollen wir zuerst frühstücken?«, fragte ich. »Wir wollen sie nicht wecken.«
    »Die Pflegerin lässt uns ein.«
    Wir passierten die Post. Dort stand ein Unfallwagen halb auf dem Gehsteig. Ein alter Peugeot, der einen zerbeulten Kotflügel und rechts vorn einen Platten hatte. Um daran vorbeizukommen, wichen wir auf die Fahrbahn aus. Dabei sahen wir ungefähr vierzig Meter vor uns einen in der zweiten Reihe parkenden großen schwarzen Wagen.
    »Un corbillard«, sagte Joe.
    Ein Leichenwagen .
    Wir starrten ihn an. Versuchten herauszufinden, vor welchem Gebäude er hielt. Versuchten die Entfernung abzuschätzen. Das war schwierig, weil wir ihn genau von vorn sahen. Ich schaute zu den Dachtraufen empor. Zuerst kam eine sechs Stockwerke hohe Jugendstilfassade aus Kalkstein, dann ein schlichteres fünfstöckiges Gebäude, in dem unsere Mutter wohnte. Mein Blick glitt die Fassade hinab und auf die Straße zu dem Leichenwagen. Er parkte genau vor ihrem Haus.
    Wir rannten los.
    Auf dem Gehsteig sahen wir einen Mann, der zum Cut einen schwarzen Zylinder trug. Die Haustür war offen. Nach einem flüchtigen Blick auf den Mann betraten wir den Innenhof. Die Concierge stand in ihrer Tür. Sie hielt ein Taschentuch in der Hand und hatte Tränen in den Augen. Sie beachtete uns nicht weiter. Wir liefen zum Aufzug. Fuhren in den vierten Stock hinauf.
    Auch die Wohnungstür stand offen. Drinnen konnte ich drei oder vier schwarz gekleidete Männer ausmachen. Wir gingen hinein. Die Männer in Schwarz traten zur Seite. Die junge Frau mit den leuchtenden Augen kam aus der Küche. Sie war ganz blass. Als sie uns erkannte, blieb sie einen Moment stehen, bevor sie quer durchs Wohnzimmer langsam auf uns zuging.
    »Was?«, sagte Joe.
    Sie schwieg.

    »Wann?«, fragte ich.
    »Heute Nacht«, antwortete sie. »Sie ist sehr friedlich gestorben.«
    Die Männer schienen zu begreifen, wer wir waren, und zogen sich in den Flur zurück. Sie sprachen kein Wort und bewegten sich fast lautlos. Joe ließ sich aufs Sofa fallen. Ich blieb unbeweglich mitten im Wohnzimmer stehen.
    »Wann?«, fragte ich wieder.
    »Gegen Mitternacht«, sagte die junge Frau. »Im Schlaf.«
    Ich schloss die Augen. Als ich sie wieder öffnete war der Blick der jungen Frau noch immer auf mich gerichtet.
    »Waren Sie bei ihr?«, wollte ich wissen.
    Sie nickte.
    »Die ganze Zeit«, erwiderte sie.
    »War ein Arzt da?«
    »Sie hat ihn weggeschickt.«
    »Was ist passiert?«
    »Sie hat gesagt, sie fühle sich wohl. Sie ist um elf Uhr zu Bett gegangen, hat ungefähr eine Stunde geschlafen und dann einfach zu atmen aufgehört.«
    Ich sah zur Zimmerdecke hoch. »Hatte sie Schmerzen?«
    »Zuletzt nicht mehr.«
    »Aber sie hat doch gesagt, sie fühle sich wohl.«
    »Ihre

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