08-Die Abschussliste
einfachsten Sachen. Wir haben nicht mal die Frau aus Kramers Motel gefunden. Das hätte nicht allzu schwierig sein dürfen.«
Ich nickte erneut. Sie hatte Recht.
Der Warteraum füllte sich mit Passagieren, und wir gingen vierzig Minuten vor dem Start an Bord. Die Maschine startete pünktlich, und ich verbrachte die erste Stunde damit, mich immer unbehaglicher zu fühlen.
Ein Gedanke führte zum anderen.
Ich stellte mir vor, wie Joe letzte Nacht über den Atlantik geflogen war. Natürlich in der Economyklasse. Für einen Beamten, der privat unterwegs war, gab es nichts anderes.
Ich stellte mir Kramer, Vassell und Coomer vor, die an Silvester aus Frankfurt abgeflogen waren. Mit American Airlines. Mit einer Boeing. Nicht geräumiger als irgendein anderer Jet. Ein früher Aufbruch vom XII. Korps. Ein langer Flug nach Washington, D. C.
Ich zog die Rechnung des Hotels George V. aus der Innentasche meiner Jacke. Studierte sie, prüfte jede Zeile, jeden Posten.
Ich schloss die Augen.
Ich dachte an Dinge, die Sanchez und der Adjutant der Delta Force, Detective Clark und Andrea Norton und auch Summer zu mir gesagt hatten. Ich dachte an Sperryville, Virginia, an Mrs. Kramers Haus in Green Valley.
Zuletzt fielen die Dominosteine auf eine Weise kreuz und quer durcheinander, die niemanden sehr gut aussehen ließ. Am wenigsten mich, weil ich viele Fehler gemacht hatte - darunter einen unverzeihlichen, der sich todsicher noch einmal rächen würde.
Ich war so sehr damit beschäftigt, über meine früheren Fehler nachzugrübeln, dass ich einen weiteren beging. Anstatt an die Zukunft zu denken, verbrachte ich die ganze Zeit damit, mir Gedanken über die Vergangenheit zu machen. Statt Abwehrmaßnahmen zu planen und zu überlegen, was uns auf dem Dulles Airport erwartete. Wir landeten um zwei Uhr morgens, passierten die Zollkontrolle und tappten geradewegs in eine von Willard gestellte Falle.
An derselben Stelle wie sechs Tage zuvor standen dieselben drei Warrant Officers aus der Dienststelle des Kommandeurs der Militärpolizei. Zwei W 3 und ein W 4 . Ich sah sie. Sie sahen uns. Ich fragte mich, wie zum Teufel Willard das geschafft hatte. Ließ er sämtliche US-Flughäfen rund um die Uhr überwachen? Hatte er europaweit nach unseren Reisegutscheinen forschen lassen? Konnte er das überhaupt allein? Oder war das FBI daran beteiligt gewesen? Das Heeresministerium? Das Außenministerium? Interpol? Die NATO? Ich wusste es nicht. Aber ich nahm mir vor, es eines Tages herauszufinden.
Jetzt musste ich mich rasch entscheiden, was ich tun wollte.
Aufhalten durfte ich uns nicht lassen. Nicht jetzt. Ich musste mich frei bewegen und mindestens vierundzwanzig bis achtundvierzig Stunden ungehindert handeln können. Dann würde ich Willard aufsuchen, und das mit größtem Vergnügen. Weil ich ihm ein paar Ohrfeigen verpassen wollte, bevor ich ihn verhaftete.
Die drei Männer kamen auf uns zu.
»Ich habe Befehl, Ihnen beiden Handschellen anzulegen«, sagte der W 4 .
»Ignorieren Sie Ihren Befehl«, sagte ich.
»Das kann ich nicht.«
»Versuchen Sie’s.«
»Das kann ich nicht«, wiederholte er.
Ich nickte.
»Okay, ich schlage Ihnen einen Tauschhandel vor«, erklärte ich. »Versuchen Sie’s mit den Handschellen, breche ich Ihnen
die Arme. Begleiten Sie uns zu Ihrem Wagen, kommen wir unauffällig mit.«
Der W4 überlegte. Er war bewaffnet. Seine Männer ebenfalls. Wir waren unbewaffnet. Aber niemand will mitten in einem Terminal auf Leute schießen. Nicht auf unbewaffnete Angehörige der eigenen Einheit. Das konnte Schuldgefühle und allen möglichen Papierkram nach sich ziehen. Und er wollte keine Schlägerei. Nicht drei gegen zwei. Ich war zu groß und Summer zu klein, um einen fairen Kampf daraus zu machen.
»Abgemacht?«, fragte er.
»Abgemacht«, log ich.
»Okay, dann los.«
Das letzte Mal war er vor mir hergegangen, und seine diensteifrigen W 3 hatten mich ein wenig hinter ihm zwischen sich genommen. Ich konnte nur hoffen, dass sie das wieder taten. Die W 3 hielten sich wahrscheinlich für harte Burschen, womit sie wohl nicht ganz Unrecht hatten, aber der W 4 machte mir die größeren Sorgen. Er schien mir ein sehr erfahrener Mann zu sein, aber er hatte im Hinterkopf keine Augen. Daher hoffte ich, er würde wieder die Spitze übernehmen.
Das tat er. Summer und ich gingen mit unseren Reisetaschen hinter ihm her. Die W 3 folgten uns mit einem halben Schritt Abstand. Wir traten durch eine Automatiktür ins Freie.
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