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08-Die Abschussliste

08-Die Abschussliste

Titel: 08-Die Abschussliste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Child
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vor, der plötzlich erfährt, dass er ein Adoptivkind ist. Sie sind nicht der Mann, für den ich Sie gehalten habe. Ich hatte mein Leben lang geglaubt, von meinem Vater, dem Berufsoffizier im Marinekorps, geprägt worden zu sein. Aber nun hatte ich das Gefühl, in mir seien auch andere Gene lebendig. Mein Vater hatte den Feind nicht schon mit dreizehn Jahren getötet wie meine Mutter. Sie hatte in schlimmen Zeiten gelebt und getan, was notwendig gewesen war. Von diesem Moment an begann sie mir mehr zu fehlen, mehr als ich jemals für möglich gehalten hätte. Ich hatte etwas verloren, von dessen Besitz ich nie etwas geahnt hatte.

    Wir gingen mit unserem Gepäck in die Hotelhalle und checkten aus. Gaben die Schlüssel ab. Die mehrsprachige junge Dame legte mir eine lange, sehr detaillierte Rechnung vor, die ich abzeichnen musste. Schon der erste Blick darauf sagte mir, dass ich damit nie durchkommen würde. Die Rechnung war exorbitant hoch. Ich hatte mir ausgerechnet, dass die Army bei den gestohlenen Reisegutscheinen ein Auge zudrücken würde, wenn wir dafür ein Ergebnis vorlegten. Aber jetzt war ich mir meiner Sache nicht mehr so sicher. Diese Rechnung aus dem George V. würde garantiert einen Meinungsumschwung bewirken. Sie machte alles noch viel schlimmer. Wir waren nur eine Nacht hier gewesen, aber man stellte uns zwei in Rechnung, weil wir die Zimmer zu spät geräumt hatten. Mein Kaffee vom Zimmerservice kostete so viel wie eine Mahlzeit in einem Bistro, mein Anruf in Rock Creek so viel wie ein dreigängiges Mittagessen im besten Restaurant der Stadt und mein Telefongespräch mit Calvin Franz in Kalifornien so viel wie ein fünfgängiges Diner. Und für Summers kurzen Anruf bei Joe in der keine Meile von hier entfernten Wohnung meiner Mutter verlangten sie so viel wie für meinen Kaffee vom Zimmerservice. Und es gab sogar eine Gebühr für ankommende Telefongespräche, nämlich für das von Franz und Joe. Insgesamt war dies die höchste Hotelrechnung, die ich je gesehen hatte.
    Die junge Dame druckte die Rechnung doppelt aus. Ein Exemplar zeichnete ich für sie ab, das andere steckte sie zusammengefaltet in einen Hotelumschlag mit Prägedruck und übergab es mir. Für meine Unterlagen, sagte sie. Für die Verhandlung vor dem Kriegsgericht, dachte ich. Ich steckte sie in die Innentasche meiner Jacke und zog sie ungefähr sechs Stunden später wieder heraus, als mir endlich klar wurde, wer was getan hatte und wem und warum und wie.

20
    Wir marschierten auf der mir bereits vertrauten Strecke zur Place de l’Opéra und bestiegen den Flughafenbus. Während der Fahrt dachte ich über alles Mögliche nach.
    Wir stiegen bei Abflüge, Ausland aus und fanden den Air-France-Ticketschalter. Tauschten zwei Reisegutscheine gegen zwei Plätze in der Nachtmaschine ein, die um dreiundzwanzig Uhr nach Washington, D. C., startete. Das bedeutete, dass wir eine lange Wartezeit vor uns hatten. Wir schleppten unser Gepäck durchs Terminal und machten an einer Bar Halt. Summer war nicht sehr gesprächig.
    Wir tranken Bier aus der Flasche und sahen uns nach einem Lokal zum Essen um. Ich hatte weder gefrühstückt noch zu Mittag gegessen und vermutete, dass es Summer nicht anders ergangen war. Wir schlenderten an all den Duty-free-Shops vorüber und fanden ein kleines, wie ein Pariser Bistro eingerichtetes Lokal. Nachdem wir unser restliches Geld zusammengelegt hatten, studierten wir die Speisekarte und bestellten Steak frites, das sich als anständiges Stück Fleisch mit knusprigen Fritten und Mayonnaise erwies. In Frankreich konnte man überall gut essen. Sogar am Flughafen.
    Nach einer Stunde machten wir uns auf den Weg zum Flugsteig. Der Warteraum war noch fast leer. Es saßen nur ein paar Transitpassagiere herum, die ihre Einkäufe längst erledigt hatten oder wie wir abgebrannt waren. Wir ließen uns möglichst weit von ihnen entfernt nieder und starrten ins Leere.
    »Scheußliches Gefühl, auf der Rückreise zu sein«, sagte Summer. »Solange man unterwegs ist, kann man vergessen, wie tief man in der Scheiße sitzt.«
    »Wir brauchen nur einen Erfolg«, sagte ich.
    »Aber der bleibt aus. Wir ermitteln seit zehn Tagen und sind noch keinen Schritt weitergekommen.«
    Ich nickte. Zehn Tage, seit Mrs. Kramer, und sechs, seit Carbone
gestorben war. Fünf Tage, seit die Delta Force mir ein Ultimatum gestellt hatte, binnen einer Woche meine Unschuld zu beweisen.
    »Wir haben nichts rausgekriegt«, fuhr Summer fort. »Nicht mal die

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