08-Die Abschussliste
Carbones Geldbörse.«
»Wir haben keine Beweise.«
»Vielleicht doch. Carbone hatte außer dem Foto auch ein Kondom in seiner Geldbörse. Ich gehe jede Wette ein, dass es aus derselben Packung stammt wie das, das im Walter Reed von Kramers Leiche abgestreift wurde. Und ich wette, dass wir alte Einsatzbefehle finden und feststellen können, wo und wann die beiden sich kennen gelernt haben. Bei irgendeiner gemeinsamen Übung, wie wir von Anfang an vermutet haben. Außerdem hat Carbone sich, wie mir der Adjutant erzählte, um die Fahrzeuge der Delta Force gekümmert. Er hatte ihren gesamten Bestand an Humvees zur Verfügung, wann immer er wollte. Sicher werden wir feststellen, dass er an Silvester allein mit einem unterwegs war.«
»Ist er letztlich wegen des Aktenkoffers ermordet worden? Genau wie Mrs. Kramer?«
Ich schüttelte den Kopf. »Keiner der beiden ist lediglich wegen des Aktenkoffers umgebracht worden.«
Sie sah mich nur ungläubig an.
»Später«, sagte ich. »Eins nach dem anderen.«
»Aber Carbone hatte den Aktenkoffer. Das hast du selbst gesagt. Er ist damit geflüchtet.«
Ich nickte. »Und er hat ihn durchsucht, nachdem er wieder in Bird war. Er hat die Tagesordnung gefunden und sie gelesen. Und irgendetwas darin hat ihn dazu bewogen, sofort seinen Kommandeur anzurufen.«
»Er hat Brubaker angerufen? Wie das? Er konnte schließlich nicht sagen: ›He, ich hab gerade mit einem General geschlafen, und raten Sie, was ich entdeckt habe?‹«
»Er hätte behaupten können, er habe den Aktenkoffer irgendwo gefunden. Vielleicht auf dem Gehsteig. Aber tatsächlich frage ich mich, ob Brubaker nicht schon immer von Kramer und Carbone wusste. Das ist denkbar. Die Delta Force ist wie
eine große Familie, und Brubaker war ein Kommandeur, der jeden seiner Männer gekannt hat. Also kann er’s gewusst haben. Und vielleicht hat er die Situation ausgenutzt, um an Informationen heranzukommen. Diese Kerle sind unglaublich ehrgeizig. Und von Sanchez weiß ich, dass Brubaker jeden Trick, jeden Kniff und jede Masche gekannt und genutzt hat. Vielleicht war der Preis für Brubakers Schweigen, dass Carbone ihm über sein Bettgeflüster berichtet hat.«
»Eine schreckliche Vorstellung.«
Ich nickte. »Wie eine Nutte. Ich hab dir gesagt, dass es hier keine Gewinner geben wird. Zuletzt werden alle schlecht aussehen.«
»Bis auf uns. Wenn wir Erfolge vorweisen können.«
»Das gilt nur für dich, nicht für mich.«
»Wieso?«
»Wart’s ab«, sagte ich.
Wir trugen unser Gepäck zu dem Chevy, der noch immer hinter dem Striplokal stand, und verstauten es im Kofferraum. Der Parkplatz war inzwischen etwas voller. Auch die Musik wummerte lauter. Ich sah auf meine Armbanduhr. Kurz vor zwanzig Uhr an der Ostküste, kurz vor siebzehn Uhr an der Westküste. Ich blieb eine Weile stehen und versuchte, einen Entschluss zu fassen. Gönnten wir uns auch nur eine Verschnaufpause, konnten wir wieder überrannt werden.
»Ich muss noch zweimal telefonieren«, sagte ich.
Ich nahm das Army-Telefonbuch, und wir gingen in das Schnellrestaurant. Ich kramte in allen Taschen nach Kleingeld, und Summer legte noch ein paar Münzen dazu. Der Mann hinter der Theke wechselte die Centstücke in Silber um. Dann rief ich Franz in Fort Irwin an.
»Werde ich bei dir durchs Haupttor gelassen?«, fragte ich ihn.
»Warum nicht?«
»Willard ist hinter mir her. Bestimmt warnt er alle, an die ich mich wenden könnte.«
»Ich habe noch nichts von ihm gehört.«
»Vielleicht solltest du deinen Fernschreiber für ein, zwei Tage ausschalten.«
»Wann kommst du voraussichtlich?«
»Irgendwann morgen.«
»Deine Kumpel sind schon da. Gerade angekommen.«
»Welche Kumpel?«
»Vassell und Coomer. Frisch aus Europa eingetroffen.«
»Weshalb?«
»Übungen.«
»Ist Marshall noch vor Ort?«
»Klar. Er hat sie in Los Angeles vom Flughafen abgeholt. Sie sind gemeinsam zurückgekommen. Wie eine große glückliche Familie.«
»Du musst mir zwei Gefallen tun«, sagte ich.
»Zwei weitere Gefallen, meinst du.«
»Ich brauche eine Fahrgelegenheit vom Flughafen nach Irwin. Ich komme mit der ersten Morgenmaschine aus Washington. Du musst jemanden schicken, der mich abholt.«
»Und?«
»Und du musst dafür sorgen, dass jemand den Dienstwagen sicherstellt, mit dem Vassell und Coomer hier herumgefahren sind. Ein schwarzer Mercury Grand Marquis. Marshall hat ihn an Silvester übernommen. Jetzt steht er in der Tiefgarage des Pentagon oder noch auf Andrews
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