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08-Die Abschussliste

08-Die Abschussliste

Titel: 08-Die Abschussliste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Child
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abstottern.«
    »Sie ist beschäftigt.«
    »Zehn Dollar«, schlug ich vor. »Zehn Dollar für ein kurzes Gespräch. Ohne Anfassen.«

    Das Mädchen verschwand, und die Tür schloss sich wieder. Ich trat zur Seite, damit Sin beim Herauskommen zunächst nur Summer sehen würde. Wir warteten ziemlich lange. Dann ging die Tür wieder auf, und Sin kam heraus. Sie trug ein hautenges Glitzerkleid in grellem Pink, dazu hochhackige Sandalen mit durchsichtigen Stilettoabsätzen. Ich trat hinter sie. Schnitt ihr den Rückweg ab. Sie drehte sich um und erkannte mich. Gefangen .
    »Nur ein paar Fragen«, sagte ich. »Das ist alles.«
    Sie sah viel besser aus als bei unserer letzten Begegnung. Die Blutergüsse in ihrem Gesicht hatten sich mehr oder weniger zurückgebildet. Ihr Make-up war vielleicht etwas dicker aufgetragen als sonst. So hätte sie fast normal gewirkt - wenn ihr leerer Blick nicht gewesen wäre. Mir war klar, dass sie sich gerade einen Schuss gesetzt hatte. Bestimmt zwischen die Zehen. Was du brauchst, um die Nacht zu überstehen.
    »Zehn Dollar«, sagte sie.
    »Setzen wir uns«, sagte ich.
    Wir fanden einen Tisch weit vom nächsten Lautsprecher entfernt. Dort war es relativ ruhig. Ich zog den Zehner aus der Tasche und hielt ihn ihr hin. Ließ ihn aber noch nicht los.
    »Du erinnerst dich an mich?« fragte ich.
    Sie nickte.
    »Auch an die Nacht von neulich?«
    Sie nickte wieder.
    »Okay, jetzt die Frage: Wer hat dich verprügelt?«
    »Dieser Soldat«, sagte sie. »Der eine, mit dem du kurz davor gesprochen hast.«

21
    Ich hielt den Zehner weiter fest und entlockte ihr Schritt für Schritt ihre Geschichte. Wie sie von meinen Knien geglitten und einen Rundgang bei den anderen Mädchen gemacht hatte. Es gelang ihr, mit den meisten flüsternd zu sprechen. Aber keine ihrer Kolleginnen hatte irgendetwas gewusst, keine Informationen aus erster oder zweiter Hand besessen. Es gab keine Gerüchte, kein Getuschel über Schwierigkeiten im Hotel. Sie war auch im Hinterzimmer gewesen, ohne jedoch etwas zu erfahren. Dann war sie in die leere Garderobe zurückgekehrt. Das Geschäft lief. Alle anderen Mädchen waren auf der Bühne oder drüben im Motel. Sie wusste, dass sie hätte weiterfragen müssen, aber es gab keine Gerüchte. Wenn tatsächlich etwas Schlimmes passiert wäre, hätte jemand davon gehört. Also wollte sie einfach aufgeben und mich abwimmeln. Dann kam der Soldat, mit dem ich gesprochen hatte, in die Garderobe. Sie beschrieb uns Carbone ziemlich gut. Wie die meisten Nutten besaß sie ein gutes Personengedächtnis. Freier, die wiederkommen, mögen es, erkannt zu werden. Dann fühlen sie sich als etwas Besonderes. Das wirkt sich aufs Trinkgeld aus. Sie berichtete, wie Carbone sie warnend aufgefordert hatte, keinem Militärpolizisten irgendwas zu erzählen. Das sagte sie mit veränderter Stimme, als wollte sie seinen Tonfall imitieren. Keinem MP irgendwas. Damit sie ihn auch wirklich ernst nahm, hatte er ihr zweimal ins Gesicht geschlagen: schnell, kräftig, Vorhand, Rückhand. Die Schläge hatten sie benommen gemacht. Sie hatte sie nicht erwartet und schien von ihnen beeindruckt zu sein. Wie eine Kennerin. Und wenn ich sie mir so ansah, konnte ich mir vorstellen, dass sie schon öfter Prügel bezogen hatte.
    »Sag’s mir noch mal«, forderte ich sie auf. »Es war der Soldat, nicht der Besitzer.«
    Sie starrte mich an, als wäre ich übergeschnappt.

    »Der Besitzer schlägt uns nie«, entgegnete sie. »Er lebt doch von uns.«
    Ich gab ihr die zehn Bucks, und wir verließen das Lokal.
     
    »Was bedeutet das?«, fragte Summer.
    »Alles«, sagte ich.
    »Woher hast du’s gewusst?«
    Ich zuckte mit den Schultern. Wir waren wieder in Kramers Motelzimmer, um zu packen.
    »Ich habe die Sache falsch beurteilt«, erklärte ich. »Das ist mir in Paris klar geworden. Als wir Joe am Flughafen abgeholt haben. Ich habe mir die Wartenden angesehen. Sie haben die Ankommenden beobachtet und waren einerseits bereit, sie zu begrüßen, andererseits sie zu ignorieren - je nachdem. Genauso war’s an Silvester in der Bar. Ich bin eingetreten, und schon wegen meiner Größe haben die Leute mich kommen sehen. Sie waren einen Moment neugierig. Aber sie kannten mich nicht und mochten keine Militärpolizisten, deshalb haben sie sich wieder abgewandt und mich ausgeschlossen. Sehr subtil, alles nur durch Körpersprache ausgedrückt. Bloß Carbone nicht. Er hat mich nicht ausgeschlossen, hat sich mir zugewandt. Ich dachte, das sei ein

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