08-Die Abschussliste
Field. Jemand soll ihn sicherstellen und forensisch unter die Lupe nehmen lassen. Und zwar schnellstens.«
»Wonach sollen sie suchen?«
»Nach allem.«
»Okay.«
»Gut, dann bis morgen.«
Ich hängte ein und blätterte im Army-Telefonbuch von F wie Fort Irwin bis zu P wie Pentagon. Ließ meinen Zeigefinger dort bis zu C wie Chef des Generalstabs hinuntergleiten. Dann hielt ich einen Moment inne.
»Vassell und Coomer sind in Irwin«, sagte ich.
»Weshalb?«, fragte Summer.
»Sie halten sich versteckt und glauben, dass wir uns noch in Europa befinden. Sie wissen, dass Willard die Flughäfen überwachen lässt. Dort draußen sind sie leichte Ziele.«
»Wollen wir sie überhaupt?«, sagte Summer. »Von Mrs. Kramer haben sie nichts gewusst. Sie waren schockiert, als du’s ihnen erzählt hast. Deshalb vermute ich, dass sie den Einbruch, aber nicht den Kollateralschaden genehmigt haben.«
Ich nickte. Sie hatte Recht. Die beiden waren sichtlich überrascht gewesen. Coomer war blass geworden und hatte gefragt: Was ist passiert? Ein Einbruch? Das bedeutete, dass Marshall es ihnen zu diesem Zeitpunkt noch nicht mitgeteilt hatte. Die wirklich schlechte Nachricht hatte er für sich behalten. Als er um drei Uhr zwanzig ins Hotel Jefferson zurückgekommen war, hatte er berichtet, der Aktenkoffer sei nicht im Haus gewesen, aber kein Wort über den Mord verloren. Vassell und Coomer mussten es sich selbst zusammengereimt haben.
»Der einzige infrage kommende Täter war Marshall«, sagte Summer. »Er ist in Panik geraten, das war alles.«
»Eigentlich war’s eine Verschwörung«, erklärte ich. »Juristisch sind alle drei gleich schuldig.«
»Schwer zu beweisen.«
»Dafür sind die Mitarbeiter des Chefs des Heeresjustizwesens zuständig.«
»Das Beweismaterial ist dünn. Eine Mitschuld wäre ihnen kaum nachzuweisen.«
»Sie haben noch mehr verbrochen«, sagte ich. »Glaub mir, dass Mrs. Kramer einen Schlag über den Schädel gekriegt hat, ist ihre kleinste Sorge.«
Ich warf nochmals Münzen ein und wählte die Nummer der Dienststelle des Generalstabschefs im Pentagon. Eine Frauenstimme meldete sich. Eine perfekte Washingtoner Stimme. Nicht hoch, nicht tief, gebildet, elegant, fast akzentfrei. Ich vermutete, dass sie einer leitenden Angestellten gehörte, die noch
spät arbeitete. Ich schätzte sie auf Anfang fünfzig, blond mit grauen Strähnen, sorgfältig zurechtgemacht.
»Schreiben Sie bitte mit«, begann ich. »Ich heiße Reacher, bin Major der Militärpolizei und vor kurzem aus Panama nach Fort Bird, North Carolina, versetzt worden. Heute um Mitternacht stehe ich in Ihrem Gebäude an der Kontrollstelle am Ring E. Es bleibt völlig dem Chef des Generalstabs überlassen, ob er sich dort mit mir treffen will.«
Ich machte eine Pause.
»War’s das?«, fragte die Frau.
»Ja«, sagte ich und hängte ein. Ich holte die wieder ausgespuckten fünfzehn Cent aus dem Geldrückgabefach und steckte sie ein. Schlug das Telefonbuch zu und klemmte es mir unter den Arm.
»Auf geht’s«, sagte ich. Wir fuhren an die Tankstelle und gaben unsere letzten acht Dollar für Benzin aus. Dann machten wir uns auf den Weg nach Norden.
»Es bleibt völlig dem Chef des Generalstabs überlassen, ob er sich dort mit dir treffen will?«, wiederholte Summer meine Worte. »Was zum Teufel hat das zu bedeuten?«
Wir waren auf der I-95, noch immer drei Stunden südlich von Washington. Mit Summer am Steuer vielleicht zweieinhalb. Die Nacht war finster, der Verkehr dicht. Die ganze Welt arbeitete nach den Feiertagen wieder.
»Die Sache muss äußerst wichtig gewesen sein«, sagte ich. »Weshalb hätte Carbone Brubaker sonst in der Neujahrsnacht angerufen? Alles, was nicht wirklich brandeilig war, hätte bis später Zeit gehabt. Also ist’s eine wichtige Sache, in die wichtige Leute verwickelt sind. Kann gar nicht anders sein. Wer sonst hätte an einem einzigen Tag zwanzig MP-Offiziere aus dem Special Unit weltweit auf andere Posten versetzen können?«
»Du bist Major«, sagte sie. »Das sind auch Franz, Sanchez und alle anderen. Jeder Oberst hätte euch versetzen können.«
»Aber auch alle MP-Kommandeure sind zeitweise abkommandiert,
sozusagen aus dem Weg geräumt worden. Um uns Bewegungsfreiheit zu verschaffen. Und die meisten MP-Kommandeure sind selbst Oberst.«
»Okay, dann hätte jeder Brigadegeneral euch versetzen können.«
»Mit gefälschten Unterschriften auf den Versetzungsbefehlen?«
»Eine Unterschrift kann jeder
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