08-Die Abschussliste
wenige Jahre alten Foto war Kramer in Uniform abgelichtet. Er stand oben auf einer
Fluggasttreppe und war soeben im Begriff, in eine C-130 Hercules zu steigen. Seine Uniform war grün, das Transportflugzeug gelb-braun. Er winkte lächelnd. Unterwegs, um seinen ersten Posten als Einsternegeneral zu übernehmen, vermutete ich. Dann eine zweite Aufnahme, fast identisch, aber etwas neuer. Kramer, der sich winkend und lächelnd oben auf einer Fluggasttreppe umwandte. Wahrscheinlich auf dem Weg zu seinem ersten Posten als Zweisternegeneral. Auf beiden Fotos winkte er mit der Rechten. Auf beiden trug er in der Linken den Kleidersack, den ich in seinem Motelzimmer gesehen hatte. Und darüber hinaus hielt er auf beiden Fotos einen zum Kleidersack passenden Aktenkoffer aus grünem Leinen unter den linken Arm geklemmt.
Ich trat wieder auf den Flur hinaus. Horchte angestrengt. Hörte nichts. Ich hätte das Haus durchsuchen können, aber das war überflüssig. Ich wusste ziemlich sicher, dass sich niemand mehr im Haus befand - und dass es hier nichts gab, das ich hätte finden müssen. Also warf ich einen letzten Blick auf die Witwe Kramer. Sie war nicht lange Witwe gewesen. Vielleicht nur eine Stunde, vielleicht auch drei Stunden. Das Blut auf dem Eichenparkett konnte vor schätzungsweise zwölf Stunden ausgetreten sein. Aber das ließ sich unmöglich genau sagen und würde warten müssen, bis die Ärzte kamen.
Ich ging durch die Küche hinaus ins Freie und um das Haus herum nach vorn, um Summer zu informieren. Schickte sie hinein, damit sie sich den Tatort ansah. Damit ersparte ich mir lange Erklärungen. Als sie nach vier Minuten wieder herauskam, wirkte sie ruhig und gefasst. Ein Pluspunkt für Summer, dachte ich.
»Haben Sie auch was gegen Zufälle?«, fragte sie.
Ich schwieg.
»Wir müssen nach Washington«, erklärte sie, »ins Walter Reed Hospital, und veranlassen, dass das Ergebnis von Kramers Autopsie nochmals überprüft wird.«
Ich sagte nichts.
»Dies hier lässt seinen Tod automatisch verdächtig erscheinen. Ich meine, wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit? Die Chancen, dass ein einzelner Soldat an einem bestimmten Tag das Zeitliche segnet, stehen vierzig- oder fünfzigtausend zu eins, aber dass seine Frau am selben Tag stirbt? Dass sie am selben Tag das Opfer eines Mordes wird?«
»War nicht derselbe Tag«, widersprach ich. »War nicht mal dasselbe Jahr.«
Sie nickte. »Okay, Silvester und Neujahr. Aber das untermauert nur meine Argumentation. Im Walter Reed hatte letzte Nacht garantiert kein Pathologe Dienst. Also musste eigens einer geholt werden. Und woher? Vermutlich von einer Silvesterparty.«
Ich lächelte flüchtig. »Sie wollen also hinfahren und sagen: ›Hey, wisst ihr bestimmt, dass euer Doc letzte Nacht richtig sehen konnte? Dass er nicht zu besoffen war, um den Unterschied zwischen Herztod und Mord zu erkennen?‹«
»Wir müssen nachhaken«, sagte sie. »Ich habe was gegen Zufälle.«
»Was ist Ihrer Meinung nach da drin passiert?«
»Einbrecher«, sagte sie. »Mrs. Kramer ist durch den Krach an der Küchentür aufgewacht, ist aufgestanden, hat sich die bereitliegende Schrotflinte geschnappt, ist die Treppe heruntergekommen und wollte in die Küche. Sie war eine mutige Frau.«
Ich nickte. Generalsfrauen, eine verdammt zähe Rasse.
»Aber sie war ein bisschen langsam«, erklärte Summer. »Der Eindringling hielt sich bereits im Arbeitszimmer auf und konnte sie von der Seite aus angreifen. Mit dem Brecheisen, das er an der Küchentür benutzt hatte. Als sie an der Tür vorbeigegangen ist. Er war ungefähr einen Kopf größer als sie, vermutlich Rechtshänder.«
Ich schwieg.
»Fahren wir also ins Walter Reed?«
»Das müssen wir, glaube ich, sobald wir hier fertig sind.«
Wir riefen die Cops in Green Valley vom Wandtelefon in der
Küche aus an. Dann teilten wir Garber telefonisch mit, was wir entdeckt hatten. Er wollte sich im Krankenhaus mit uns treffen. Anschließend warteten wir. Summer bewachte die Vorderseite des Hauses, ich die Rückseite, aber wir sahen niemanden. Die Cops trafen innerhalb von sieben Minuten ein. Sie bildeten eine kleine Kolonne: zwei Streifenwagen, ein neutraler Dienstwagen, ein Krankenwagen. Sie kamen mit Blinklicht und Sirenen. Wir hörten sie schon aus einer Meile Entfernung. Sie heulten die Einfahrt herauf und stellten dann die Sirenen ab. Als Summer und ich uns zu ihnen gesellten, liefen alle achtlos an uns vorbei. Wir spielten hier keine Rolle. Die
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