08-Die Abschussliste
wuchtige Schläge - zum Beispiel mit einem Montiereisen, würde ich sagen. All das dramatische Zeug ist erst nach Eintreten des Todes passiert. Bloße Effekthascherei.«
»Irgendwelche Abwehrverletzungen?«
»Keine«, sagte der Pathologe. »Dieser Angriff ist überraschend gekommen. Aus heiterem Himmel. Keine Gegenwehr, kein Kampf.«
»Wie viele Angreifer?«
»Ich bin kein Hellseher. Die tödlichen Schläge dürfte alle derselbe Täter ausgeführt haben. Ob andere dabeigestanden und zugesehen haben, kann ich nicht sagen.«
»Was vermuten Sie?«
»Ich bin Wissenschaftler, kein Quizmaster.«
»Nur ein Täter«, sagte Summer. »Rein gefühlsmäßig.«
Ich nickte.
»Todeszeitpunkt?«, fragte ich.
»Nicht genau zu bestimmen«, sagte der Mediziner. »Vermutlich gestern Abend zwischen neun und zehn Uhr. Aber nageln Sie mich nicht darauf fest.«
Ich nickte erneut. Neun oder zehn Uhr wäre vernünftig gewesen. Lange nach Eintritt der Dunkelheit und mehrere Stunden, bevor jemand mit der Auffindung des Ermordeten rechnen musste. Reichlich Zeit, damit der böse Mörder ihn dort hinauslocken und wieder an einem anderen Ort sein konnte, wenn Alarm geschlagen wurde.
»Hat man ihn da ermordet, wo er gefunden wurde?«, fragte ich.
Der Pathologe nickte.
»Oder ganz in der Nähe«, antwortete er. »Medizinisch weist nichts auf einen Transport hin.«
»Okay«, sagte ich. Ich sah mich um. Der abgebrochene Ast lag auf einem Metalltisch. Daneben stand ein Glasgefäß mit einem Penis und zwei Hoden.
»In seinem Mund?«, erkundigte ich mich.
Der Pathologe nickte wieder. Schwieg.
»Was für ein Messer?«
»Wahrscheinlich ein K-bar«, sagte er.
»Klasse!«, rief ich aus. Kampfmesser dieses Musters waren in den vergangenen fünfzig Jahren millionenfach hergestellt worden und so häufig wie Orden.
»Das Messer hat ein Rechtshänder benutzt«, erklärte der Mediziner.
»Und das Montiereisen?«
»Ebenso.«
»Okay.«
»Die Flüssigkeit war Joghurt«, sagte der Pathologe.
»Erdbeere oder Himbeere?«
»Ich habe ihn nicht probiert.«
Neben den Glasgefäßen mit Organen lag ein kleiner Stapel mit vier Polaroidfotos. Sie alle zeigten die tödlichen Verletzungen. Das erste Bild dokumentierte den Zustand bei der Auffindung der Leiche. Die Haare des Soldaten waren relativ lang, schmutzig und mit Blut verklebt, sodass ich kaum Einzelheiten erkennen konnte. Auf der zweiten Aufnahme waren Blut und Schmutz abgewaschen. Fürs dritte Foto hatte man die Haare abgeschnitten. Das letzte Polaroidfoto lichtete die Wunde ab, nachdem die Haare abrasiert worden waren.
»Wie wär’s mit einem Brecheisen?«, fragte ich.
»Möglich«, meinte der Mediziner. »Vielleicht sogar besser als ein Montiereisen. Ich habe einen Gipsabdruck davon genommen. Bringen Sie mir eine Waffe, dann sage ich Ihnen, ob sie in Frage kommt oder nicht.«
Ich trat einen Schritt vor und studierte den Toten genauer. Die Leiche war sehr sauber, grau, weiß und rosa. Sie roch schwach nach Seife, aber auch nach Blut und anderen üppigen organischen Düften. Der Unterleib sah grausig aus, wie nach einem Gemetzel. Die Schnittverletzungen an Armen und Schultern waren so tief, dass ich Muskeln und Knochen sehen konnte. Die Wundränder waren bläulich verfärbt. Ein Schnitt ging mitten durch die Tätowierung auf dem linken Oberarm. Ein Adler hielt eine Schriftrolle mit dem Wort Mutter in den Krallen. Insgesamt bot der Kerl keinen angenehmen Anblick. Aber er war in besserem Zustand, als befürchtet.
»Ich dachte, er würde mehr Schwellungen und Blutergüsse aufweisen«, sagte ich.
»Das habe ich bereits erwähnt«, erklärte er. »Der ganze Zauber ist erst veranstaltet worden, als er tot war. Kein Puls, kein
Blutdruck, keine Zirkulation, deshalb keine Schwellungen, keine Blutergüsse. Auch keine schweren Blutungen. Was er an Blut verloren hat, ist nur durch die Schwerkraft herausgesickert. Hätte er noch gelebt, als ihm diese Verletzungen beigebracht wurden, hätte er geleckt wie ein Sieb.«
Er wandte sich erneut dem Tisch zu, beendete seine Arbeit am Gehirn des Mannes und klappte das aufgesägte Schädeldach wieder zu. Dann klopfte er zweimal kräftig darauf, damit es richtig saß, und fuhr mit einem Schwamm einmal um die Naht. Anschließend zog er die Gesichtshaut wieder nach oben, schob sie zurecht, drückte sie in Form und strich sie mit den Fingern glatt. Als er die Hände wegnahm, erkannte ich den Sergeant von den Special Forces, mit dem ich in dem Striplokal
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