08 - Ehrenschuld
Reform Act wurde inzwischen von zweihundert Abgeordneten aus beiden Parteien unterstützt. Die Anhörungen im Ausschuß waren ungewöhnlich kurz gewesen, hauptsächlich deshalb, weil kaum einer sich traute, als Sachverständiger gegen den Entwurf Stellung zu nehmen. Es wollte etwas besagen, wenn eine große Washingtoner PublicRelations-Firma ihren Vertrag mit einem japanischen Konzern kündigte, und da es eine PR-Firma war, gab sie eine Pressemitteilung heraus, in der sie das Ende einer vierzehnjährigen Geschäftbeziehung bekanntgab. Der Unfall bei Oak Ridge und Al Trents oft zitierte bissige Bemerkung gegenüber einem führenden Lobbyisten - das war eine Kombination, die jenen, die in fremden Diensten auf den Wandelgängen des Kongresses umherschlichen, das Leben schwermachte. Die Lobbyisten hielten die Beschlußfassung nicht auf. Einmütig berichteten sie ihren Arbeitgebern, daß das Gesetz einfach nicht aufzuhalten sei, daß es völlig ausgeschlossen sei, ihm durch Änderungsanträge den Biß zu nehmen, und daß nichts anderes zu tun sei, als sich auf die langfristige Perspektive einzustellen und abzuwarten. Irgendwann würden ihre Freunde im Kongreß wieder in der Lage sein, sie zu unterstützen, nur jetzt nicht.
Nur jetzt nicht? Die zynische Definition eines guten Politikers lautete in Japan nicht anders als in Amerika: ein Funktionär, einmal gekauft, blieb immer gekauft. Die Arbeitgeber dachten an das viele Geld, das sie für so manchen Wahlkampf gespendet hatten, an die Tausend-Dollar-Gedecke mit einem mediokren Essen, die von amerikanischen Angestellten ihrer multinationalen Konzerne (genauer gesagt, für sie) gekauft worden waren, an die Reisen zu Golfkursen, an die Bewirtung bei Informationsreisen nach Japan und anderswo, an den persönlichen Kontakt - und erkannten, daß all das dieses eine Mal, wo es wirklich darauf ankam, gar nichts brachte. Amerika war einfach anders als Japan. Seine Gesetzesmacher fühlten sich nicht zu einer Gegenleistung verpflichtet, und die Lobbyisten, die ebenfalls gekauft waren und teures Geld kosteten, sagten ihnen, daß daran nichts zu ändern sei. Wofür hatten sie überhaupt das ganze Geld ausgegeben?
Sich auf die langfristige Perspektive einstellen? Die langfristige Perspektive war schön und gut, solange die unmittelbare Aussicht angenehm und ungetrübt war. Die langfristige Perspektive hatte Japan dank günstiger Umstände fast vierzig Jahre lang einnehmen können. Sie galt heute nicht mehr. Am Mittwoch, dem vierten, als der Ausschuß den Trade Reform Act befürwortete, fiel der Nikkei-Index auf 12 841 Yen, fast ein Drittel des Werts, den er noch kürzlich gehabt hatte, und im Land machte sich echte Panik breit.
»Pflaumenblüten blühen, und Freudenmädchen kaufen neue Schärpen in einem Bordellzimmer.«
Auf japanisch mochten die Worte poetisch sein - es handelte sich um ein berühmtes Haiku -, doch im Englischen ergaben sie nicht viel Sinn, dachte Clark, jedenfalls nicht für ihn. Aber bei dem Mann vor ihm zeigte es Wirkung. »Oleg Jurjewitsch läßt Sie grüßen.«
»Es ist lange her«, stammelte der Mann nach einer vielleicht fünf
Sekunden währenden Panik, die er gut zu verbergen wußte.
»Zu Hause gab es Schwierigkeiten«, erklärte Clark mit einem leichten
Akzent.
Isamu Kimura war ein höherer Beamter im Ministerium für
Außenhandel und Industrie, dem MITI, das den Kern eines Unternehmens
bildete, das man einmal »Japan, Inc.« genannt hatte. Als solcher hatte er oft
mit Ausländern, speziell ausländischen Reportern, zu tun, und so hatte er
die Einladung von Iwan Sergejewitsch Klerk angenommen, der vor kurzem
aus Moskau in Japan eingetroffen war, zusammen mit einem Fotografen,
der anderswo Aufnahmen machte.
»Auch für Ihr Land gibt es offenbar Schwierigkeiten«, fuhr Clark fort,
gespannt auf die Reaktion. Er mußte den Kerl ein bißchen härter anfassen.
Vielleicht würde er sich sträuben, nach zwei Jahren ohne Kontakte reaktiviert zu werden. In dem Fall pflegte der KGB klarzumachen, daß einer, der einmal am Haken hing, nie mehr davon loskommen werde. Die
CIA hielt es übrigens genauso.
»Es ist ein Alptraum«, sagte Kimura nach kurzer Überlegung und einem
tüchtigen Schluck von dem Sake, der auf dem Tisch stand.
»Wenn Sie denken, daß die Amerikaner schwierig sind, dann sollten Sie
mal ein Russe sein. Das Land, in dem ich aufgewachsen bin, das mich
ernährt und ausgebildet hat, existiert nicht mehr. Können Sie sich
vorstellen, daß ich mich
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