08 - Ehrenschuld
tatsächlich von meiner Arbeit bei Interfax ernähren
muß? Ich kann meine Pflichten noch nicht einmal auf Vollzeitbasis
erfüllen.« Clark schüttelte bekümmert den Kopf und leerte seine Schale. »Ihr Englisch ist ausgezeichnet.«
Der »Russe« nickte höflich und verstand die Bemerkung als
Kapitulationserklärung des Mannes, der ihm gegenübersaß. »Vielen Dank.
Ich habe einige Jahre in New York gearbeitet und für die Prawda über die
Vereinten Nationen berichtet. Unter anderem«, fügte er hinzu. »Tatsächlich?« wollte Kimura wissen. »Was wissen Sie über Wirtschaft
und Politik in Amerika?«
»Ich habe mich auf die Industriearbeit spezialisiert. Das kann ich jetzt
dank der neuen Verhältnisse in der Welt verstärkt fortsetzen. Ihre Dienste
werden von meinem Land sehr geschätzt. Wir werden Sie künftig noch
besser entlohnen können, mein Freund.«
Kimura schüttelte den Kopf. »Dazu habe ich jetzt keine Zeit. In meiner
Dienststelle herrscht große Verwirrung, den Grund kennen Sie ja.« »Ich verstehe. Dieses Treffen soll nur dem Kennenlernen dienen. Im
Augenblick wollen wir nichts von Ihnen.«
»Wie geht's Oleg?« fragte der MITI-Beamte.
»Ihm geht's gut, er hat jetzt dank der guten Arbeit, die Sie für ihn
geleistet haben, eine sehr auskömmliche Stellung.« Und das war nicht
einmal gelogen. Ljalin lebte, und das, obwohl man ihm beinahe im Keller
der KGB-Zentrale eine Kugel in den Kopf gejagt hätte. Dieser Mann war
der Agent, der Ljalin den Tip gegeben hatte, der sie in Mexiko auf die
richtige Spur gebracht hatte. Clark bedauerte sehr, daß er seinem Gegenüber
nicht persönlich dafür danken konnte, daß er geholfen hatte, einen Atomkrieg zu verhindern »Aber Sie können mir doch in meiner Eigenschaft als Reporter sagen, wie ernst die Situation mit Amerika ist. Ich muß ja etwas berichten, das verstehen Sie doch.« Die Antwort überraschte ihn
ebenso wie der heftige Ton, in dem sie vorgetragen wurde.
Isamu Kimura senkte den Kopf. »Es kann uns ruinieren.«
»Ist es wirklich so schlimm?« fragte »Klerk« erstaunt und holte seinen
Notizblock hervor, um sich wie ein richtiger Reporter Notizen zu machen. »Es wird zu einem Handelskrieg kommen.« Mehr als diesen einen Satz
brachte der Mann nicht heraus.
»Aber so ein Krieg schadet doch beiden Ländern, nicht wahr?« Clark
hatte das so oft gehört, daß er es wi rklich glaubte.
»Das sagen wir seit Jahren, aber es stimmt nicht. In Wirklichkeit ist es
ganz einfach«, fuhr Kimura fort in der Annahme, dieser Russe müsse über
die Tatsachen des Kapitalismus aufgeklärt werden. »Wir brauchen ihren
Markt für unsere Fabrikwaren. Wissen Sie, was ein Handelskrieg bedeutet?
Sie werden unsere Fabrikwaren nicht mehr kaufen und ihr Geld für sich
behalten. Sie werden es in ihre Industrie stecken, die wir, wenn man so will,
zu mehr Effizienz erzogen haben. Sie haben dazugelernt und ihre Industrie
wird wachsen und gedeihen und in Bereichen, in denen wir seit zwanzig
Jahren führend sind, Marktanteile zurückerobern. Wenn wir einmal unsere
Marktposition verlieren, kann es sein, daß wir sie nie wieder voll
zurückerlangen.«
»Woran liegt das?« fragte Clark, der sich emsig Notizen machte und
überrascht feststellte, daß es ihn wirklich interessierte.
»Als wir auf den amerikanischen Markt kamen, hatte der Yen nur etwa
ein Drittel seines heutigen Werts. Dadurch konnten wir sehr
konkurrenzfähige Preise machen. Als wir uns dann eine Stellung auf dem
amerikanischen Markt aufgebaut hatten, die Anerkennung unserer
Markennamen durchgesetzt war und so weiter, konnten wir unsere Preise
erhöhen und dennoch unseren Marktanteil halten, ihn in vielen Bereichen
sogar erweitern, obwohl der Yen an Wert gewann. Es wäre sehr viel
schwieriger, dasselbe heute noch einmal zu schaffen.«
Tolle Nachrichten, dachte Clark, ohne eine Miene zu verziehen. »Aber
finden sie denn Ersatz für all die Dinge, die Sie dorthin exportieren?« »Mit ihren Arbeitern? Meinen Sie alle Produkte? Vermutlich nicht, aber das ist auch nicht nötig. Autos und damit zusammenhängende Erzeugnisse machten letztes Jahr 61 Prozent unseres Handels mit Amerika aus. Autos können die Amerikaner bauen - was sie nicht gewußt haben, das haben wir ihnen beigebracht«, sagte Kimura und beugte sich vor. »Was andere Bereiche angeht, Kameras zum Beispiel, die werden heute anderswo gemacht, in Singapur Korea, Malaysia. Nicht anders ist es mit der Unterhaltungselektronik. Klerk-san, im Grunde hat noch keiner begriffen,
was los
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