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08 - Ehrenschuld

08 - Ehrenschuld

Titel: 08 - Ehrenschuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
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Industrielle. Lange hatte er Geschichte und Geisteswissenschaften studiert, und er legte wie viele Politiker mehr Wert auf die Darstellung als auf den Inhalt. Wie viele schwache Männer machte er großes Aufhebens von seiner Stärke und Potenz. Deshalb hatte er oft dieses Mädchen Kimberly Norton bei sich. Sie lernte, wenn man so will, die Pflichten der Mätresse eines wichtigen Mannes zu erfüllen. Sie saß stumm da, schenkte Sake oder Tee nach und wartete geduldig, bis Yamata-san ging, woraufhin Goto - das gab er zu verstehen - mit dem Mädchen ins Bett gehen würde. Er glaubte offenbar, seinen Gast damit beeindrucken zu können. Wie töricht, mit seinen Hoden imponieren zu wollen statt mit seinem Gehirn. Na ja, das machte nichts. Yamata würde sein Gehirn werden.
    »Genau der steht uns bevor«, erwiderte Yamata mit schonungsloser Offenheit. Er musterte das Mädchen eingehend, teils aus Neugier, teils um Goto glauben zu machen, daß er ihn um seine junge Mätresse beneidete. Ihr Gesichtsausdruck verriet totale Verständnislosigkeit. War sie so dumm, wie man ihn glauben gemacht hatte? Bestimmt war es nicht schwer gewesen, sie herüberzulocken. Das war ein lukratives Geschäft der yakuza, an dem sich auch einige seiner Kollegen beteiligten. Auch wenn Gotos persönliche Schwächen leicht zu erkennen und weithin bekannt waren, war es doch ein schlauer Schachzug gewesen, ihm das Mädchen zuzuspielen - auf indirekte Weise, denn Yamata sah sich nicht als Zuhälter, sondern hatte lediglich dafür gesorgt, daß jemand dieser politischen Führungsfigur den passenden Tip gab. Wie sagten die Amerikaner? »Jemanden an der Nase herumführen« - so nannten sie das, was Yamata getan hatte, ein seltener Fall von taktvoller Ausdrucksweise bei den gaijin.
    »Was können wir dagegen tun?« fragte der derzeitige Oppositionsführer. »Es gibt nur zwei Möglichkeiten.« Yamata hielt inne und wünschte, Goto würde das Mädchen hinausschicken. Es ging schließlich um eine sehr heikle Sache. Doch Goto streichelte ihr über das blonde Haar, und sie lächelte. Na ja, wenigstens hatte Goto das Mädchen nicht ausgezogen, bevor er eintraf, wie vor einigen Wochen. Brüste, auch große Brüste von weißen Frauen, waren für Yamata nun wirklich nichts Neues, und was Goto mit ihr anstellte, konnte er sich schon denken.
»Sie versteht kein Wort«, sagte der Politiker lachend.
    Kimba-chan lächelte, aber der Ausdruck auf ihrem Gesicht gefiel Yamata nicht. War es bloß eine höfliche Reaktion auf das Lachen ihres Gebieters, oder steckte etwas anderes dahinter? Wie alt war dieses Mädchen? Um die zwanzig vermutlich, aber bei Ausländerinnen war er unsicher, was das Alter anging. Dann fiel ihm etwas anderes ein: Wenn ausländische Würdenträger sein Land besuchten, verschaffte man ihnen weibliche Begleitung; so hielt Yamata es auch mit Geschäftsbesuch. Mit dieser altehrwürdigen Praxis erreichte man zweierlei: Es erleichterte eine Einigung, denn ein Mann, den eine erfahrene Kurtisane befriedigt hatte, war zugänglicher, und außerdem lockerten viele Männer mit dem Gürtel zugleich ihre Zunge. Worüber sprach Goto mit diesem Mädchen? Und wem mochte sie davon berichten? Auf einmal kam es Yamata gar nicht mehr so schlau vor, daß er die Beziehung eingefädelt hatte.
»Schicken Sie sie bitte fort, dieses eine Mal, Hiroshi«, sagte Yamata.
    »Aber gern.« Auf englisch fuhr er fort: »Kimba-chan, mein Freund und ich möchten ein paar Minuten allein sein.«
Immerhin zeigte sie soviel Manieren, nicht zu widersprechen, doch ihre Enttäuschung entging Yamata nicht. War sie nun dazu erzogen, sich nicht zu widersetzen, oder dazu, wie ein gedankenloses Mädchen zu reagieren? Und spielte es überhaupt eine Rolle, wenn man sie fortschickte? Würde Goto ihr vielleicht hinterher alles erzählen? Stand er so sehr unter ihrem Bann? Yamata wußte es nicht, und daß er es nicht wußte, erschien ihm auf einmal gefährlich.
»Ich ficke gern Amerikanerinnen«, sagte Goto ungehobelt, nachdem sie die Tür hinter sich zugeschoben hatte. Es war seltsam. Sonst sprach er so kultiviert, aber auf diesem Gebiet redete er wie einer von der Straße. Damit gab er sich eine große Blöße - beunruhigend.
»Das höre ich gern, mein Freund. Bald werden Sie dazu mehr Gelegenheit haben«, erwiderte Yamata; das mußte er sich merken.
Eine Stunde später blickte Chet Nomuri von seiner Flippermaschine auf und sah Yamata herauskommen. Er hatte wie üblich einen Fahrer und einen anderen Mann

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