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08 - Ehrenschuld

08 - Ehrenschuld

Titel: 08 - Ehrenschuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
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Verkaufen? Mich verstecken?« Er hatte Entscheidungen zu treffen. Er hatte die lebenslangen Ersparnisse von realen Menschen zu schützen, aber der Markt agierte auf eine Weise, die er nicht verstand. Alles ging den Bach runter, und er wußte nicht, warum. Das mußte er aber wissen, um seine Aufgabe richtig zu erfüllen.
    »Sie laufen noch immer westwärts, uns entgegen, shoho«, meldete der Flotteneinsatzoffizier Admiral Sato. »Bald müßten wir sie auf Radar haben.«
    »Hai. Danke, issa«, erwiderte Sato, in dessen gute Laune sich jetzt eine gewisse Schärfe mischte. Er wollte es so, wollte, daß seine Leute ihn so wahrnahmen. Die Amerikaner hatten die Übung gewonnen, nicht gerade überraschend. Überraschend war auch nicht, daß die Besatzungsmitglieder, die er traf, infolgedessen ein wenig bedrückt waren. Sie waren nach all dem Drill und Training theoretisch vernichtet worden, und wenn es auch nicht besonders professionell war, so war es doch durchaus menschlich, wenn sie Groll empfanden. Wieder einmal, dachten sie, die Amerikaner haben es uns wieder einmal gegeben. Dem Flottenkommandeur war das durchaus recht. Ihre Moral war einer der wichtigsten Gesichtspunkte bei der Operation, die, was die Besatzungsmitglieder nicht wußten, nicht vorüber war, sondern eigentlich erst begann.
    Der Vorgang, der mit Schatzwechseln begonnen hatte, zog inzwischen alle frei gehandelten Bankaktien in Mitleidenschaft, und zwar so sehr, daß der Vorsitzende der Citibank eine Pressekonferenz einberief, um gegen den Einbruch der Aktie seines Instituts zu protestieren. Er verwies auf den jüngsten Ertragsausweis und die nachweisbare finanzielle Gesundheit einer der größten Banken des Landes, doch niemand hörte zu. Er wäre besser beraten gewesen, eine Handvoll ausgesuchter Leute anzurufen, aber das hätte möglicherweise auch nichts gefruchtet.
    Der eine Banker, der an diesem Tag die Dinge hätte aufhalten können, hielt einen Vortrag vor einem Kreis von Geschäftsleuten, als sein Pieper sich meldete. Es war Walter Hildebrand, Präsident der New Yorker Niederlassung der Federal Reserve Bank, der zweitwichtigste Mann der Zentrale in Washington. Hildebrand, der von Hause aus sehr begütert war hatte gleichwohl ganz unten in der Finanzwelt angefangen (wobei er allerdings in einer komfortablen Zwölf-Zimmer-Eigentumswohnung gewohnt hatte) und sich den Aufstieg zur Spitze wirklich verdient, und verdient hatte er auch seine gegenwärtige Stellung, in der er die beste Gelegenheit sah, wirklich dem Gemeinwesen zu dienen. Als schlauer Finanzanalyst, der er war, hatte er in einem Buch den Börsenkrach vom 19. Oktober 1987 untersucht und dabei die Rolle gewürdigt, die sein Vorgänger an der New Yorker Fed, Gerry Lornigan, bei der Rettung des Marktes gespielt hatte. Nachdem er gerade über die Folgewirkungen des Trade Reform Act gesprochen hatte, blickte er auf seinen Pieper, der ihm, für ihn nicht überraschend, meldete, er möge im Büro anrufen. Bis dorthin waren es nur ein paar Straßen, und so beschloß er, zu laufen. Hätte er angerufen, hätte man ihm gesagt, er möge sich zur New Yorker Börse begeben. Es hätte keinen Unterschied gemacht.
    Hildebrand trat allein aus dem Gebäude. Es war ein klarer, frischer Tag, und da tat es gut, ein bißchen zu laufen. Anders als einige seiner Vorgänger hatte er es abgelehnt, einen Leibwächter in Anspruch zu nehmen, besaß allerdings eine Erlaubnis zum Tragen einer Pistole und benutzte sie auch gelegentlich.
    Die Straßen im unteren Manhattan sind eng und verkehrsreich, hauptsächlich bevölkert von Lieferwagen und gelben Taxis, die wie beim Dragsterrennen von einer Ecke zur nächsten stürmen. Die Bürgersteige waren ebenfalls schmal und belebt. Wenn man irgendwo hinwollte, mußte man sich durchschlängeln und oft ausweichen. Am besten kam man noch am Randstein vorwärts, und diesen Weg wählte Hildebrand, um schneller in sein Büro zu kommen.
    Er bemerkte nicht, daß ihm ein anderer unmittelbar auf den Fersen folgte, ein gutgekleideter Mann mit dunklen Haaren und Durchschnittsgesicht. Es konnte nur darum gehen, den richtigen Moment abzupassen, und bei dem herrschenden Gedränge mußte dieser Moment unausweichlich kommen. Das war eine Erleichterung für den Dunkelhaarigen, der für den Auftrag nicht gern seine Pistole benutzte. Er mochte keinen Lärm. Lärm zog Blicke auf sich, und damit wü rde es Zeugen geben. Er gedachte zwar, in gut zwei Stunden auf dem Flug nach Europa zu sein, aber

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