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08 - Ehrenschuld

08 - Ehrenschuld

Titel: 08 - Ehrenschuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
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verstärkt durch einen bedeutenden und umsichtigen institutionellen Anleger in Amerika. Aber warum, das wußte keiner. Also durchstöberten sie die Agenturmeldungen nach weiteren Anhaltspunkten, krampfhaft bemüht, sich auf die aus Amerika hereinströmenden Informationen einen Reim zu machen. Sie verdrehten die Augen und schüttelten die Köpfe, und weil ihnen die Zeit fehlte, alles gründlich zu prüfen, griffen sie auf ihre eigenen Expertensysteme zurück, um sich von ihnen eine Analyse geben zu lassen, weil die Gründe für die unerwarteten Veränderungen einfach nicht klar genug waren, um einsichtig zu sein.
Aber kam es auf Gründe überhaupt an? Es mußte real sein. Die Fed hatte gerade den Diskontsatz um einen ganzen Punkt heraufgesetzt, und das war nicht zufällig geschehen. Da sie von ihren Regierungen und Zentralbanken keine Richtlinien hatten, was zu tun sei, beschlossen sie, den Ankauf von US-Schatzanweisungen vorläufig auszusetzen. Gleichzeitig begannen sie mit einer unverzüglichen Überprüfung ihrer Wertpapierbestände, weil es ganz danach aussah, als würden Aktienwerte sinken, und zwar rapide.
    »... zwischen dem Volk von Rußland und dem Volk von Amerika«, beendete Präsident Gruschawoj seinen Trinkspruch, mit dem er als Gastgeber auf Präsident Durling antwortete, wie es das Protokoll vorsah. Man hob die Gläser und stieß an. Ryan nahm ein winziges Schlückchen von dem Wodka. Die Gläser waren zwar nur fingerhutgroß, aber trotzdem konnte man dabei ganz schön blau werden - allerorten standen Kellner, um nachzuschenken -, und die Reihe der Trinksprüche hatte gerade erst begonnen. Noch nie hatte er einen Staatsempfang erlebt, auf dem es so locker zuging. Die ganze diplomatische Welt war versammelt, zumindest die Botschafter aller wichtigen Länder waren zugegen. Namentlich der japanische Botschafter machte einen vergnügten Eindruck, wie er von Tisch zu Tisch wieselte, um hier und da ein paar Worte zu wechseln.
    Außenminister Hanson stand als nächster auf, hob sein Glas und stotterte eine vorbereitete Ode auf das weitblickende russische Außenministerium herunter, dessen Zusammenarbeit nicht nur mit den Vereinigten Staaten, sondern auch mit ganz Europa ein Grund zur Freude sei. Jack schaute auf seine Armbanduhr: 22.03 Uhr Ortszeit. Er hatte mittlerweile dreieinhalb Gläser geleert und hielt sich für den nüchternsten Menschen im Saal. Cathy kicherte andauernd. Das hatte er lange nicht mehr erlebt, und er wußte, daß er sie noch jahrelang damit aufziehen würde.
    »Jack, mundet Ihnen unser Wodka nicht?« fragte Golowko. Auch er langte tüchtig zu, aber Sergej schien es gewohnt zu sein.
»Ich möchte mich nicht allzusehr zum Narren machen«, erwiderte Ryan.
»Das dürfte Ihnen auch schwerfallen, mein Freund«, bemerkte der Russe.
»Das können Sie nur sagen, weil Sie nicht mit ihm verheiratet sind«, antwortete ihm Cathy augenzwinkernd.
    »Das kann doch nicht wahr sein«, sagte ein Rentenspezialist zu seinem Computer in New York. Seine Firma verwaltete mehrere große Pensionsfonds, die für die Alterssicherung von über einer Million gewerkschaftlich organisierter Arbeiter verantwortlich waren. Er war gerade vom Mittagessen in seinem bevorzugten Imbiß zurück und bot auf Weisung von oben Schatzanweisungen zum Sonderpreis an, aber keiner wollte zugreifen. Warum nicht? Eine zurückhaltende Order kam von einer französischen Bank, offenbar ein Hedgegeschäft gegen inflationären Druck auf den Franc. Es ging um nicht mehr als eine Milliarde, für die ein Abschlag von 17/32 gegenüber dem Eröffnungspreis gefordert wurde, was im internationalen Verkehr gleichbedeutend war mit bewaffnetem Raubüberfall. Doch Columbus, sah er, hatte in den sauren Apfel gebissen und die Franc genommen, um sie seinerseits in einem Hedgegeschäft fast unverzüglich in D-Mark umzutauschen. Der Mann, der noch dabei war, sein Cornedbeef Sandwich zu verdauen, spürte, wie es sich in seinem Magen in einen Bleiklumpen verwandelte.
    »Macht etwa jemand einen Run auf den Dollar?« fragte er die Händlerin neben ihm.
»Sieht ganz danach aus«, antwortete sie. Future-Optionen auf den Dollar, die den ganzen Vormittag gestiegen waren, waren binnen einer Stunde auf das maximal zulässige Tageslimit gesunken.
»Wer?«
»Ich weiß es nicht, aber Citibank hat gerade schwer einstecken müssen. Chemical ist auch am Abbröckeln. «
»Irgendeine Korrektur?« fragte er.
»Korrektur wovon und wohin?«
»Was soll ich denn machen? Kaufen?

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