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08 - Ehrenschuld

08 - Ehrenschuld

Titel: 08 - Ehrenschuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
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spektakulären Ertragsausweis vorgelegt, und die Chemical Bank war nach einigen Umbesetzungen im Management im Grunde kerngesund, doch die Aktien beider Institute waren rasch und tief gesunken. Dem Computer zufolge hatte die Kombination von Faktoren etwas sehr Schlimmes zu bedeuten, und die Expertensysteme irrten doch nie, oder? Ihre Datengrundlage entsprach exakt der historischen Wahrheit, und sie konnten besser als Menschen in die Zukunft schauen. Die Computerhändler glaubten an die Modelle, obwohl sie die logische Überlegung, die hinter den Empfehlungen steckte, die sie nun auf ihren Computerterminals sahen, nicht durchschauten. Dem Durchschnittsbürger, der jetzt die Nachrichten sah und wußte, daß etwas Schlimmes im Gange war, erging es nicht anders: Auch er begriff nicht, warum es schlimm war, nur daß es schlimmer war, und auch er fragte sich, was zum Teufel man dagegen tun konnte.
    Die Profis, so schien es wenigstens, waren angesichts der dauernden Kurzmeldungen in Fernsehen und Radio genauso schlimm dran wie die Durchschnittsbürger. In Wirklichkeit war es für sie schlimmer. Es war für sie nicht ein Vorteil, sondern ein Fluch, daß sie die mathematischen Modelle so gut verstanden. Der Durchschnittsbürger verstand ohnehin nicht, was er da sah, und unternahm deshalb nichts. Er wartete einfach ab oder zuckte die Achseln, weil er keine Wertpapiere besaß. Das heißt, er besaß schon welche, aber er wußte es nicht. Die Banken, Versicherungen und Pensionsfonds, die das Geld der Bürger verwalteten, hatten riesige Bestände an allen möglichen staatlichen Anleihepapieren. All diese Institutionen wurden von Profis geleitet, deren Ausbildung und Erfahrung ihnen sagte, daß sie in Panik sein mußten. Und sie waren in Panik und lösten damit eine Entwicklung aus, die der Mann auf der Straße bald am eigenen Leib verspürte. Diese Entwicklung setzte ein, als die ersten anzurufen begannen und die Talfahrt für alle noch steiler wurde.
    Die schon beängstigende Situation verschlimmerte sich. Als erste riefen die älteren Leute an, die tagsüber vor dem Fernseher saßen und am Telefon ihre Befürchtungen und Ängste miteinander austauschten. Viele von ihnen hatten ihre Ersparnisse in Investmentfonds angelegt, weil die eine höhere Rendite abwarfen als Bankkonten - deshalb waren ja auch die Banken, um ihre Gewinne zu sichern, in dieses Geschäft eingestiegen. Die Investmentfonds steckten jetzt gewaltige Verluste ein, die vorerst nur die erstklassigen Aktien betrafen, doch als die Anrufe von einzelnen Kunden sich häuften, die ihr Geld heraushaben und aussteigen wollten, mußten die Institutionen sich von bislang problemlosen Aktien trennen, um die Verluste bei anderen Papieren auszugleichen, die eigentlich hätten sicher sein sollen, es aber nicht waren. Praktisch verschleuderten sie Wertpapiere, die ihren Wert bislang behauptet hatten, und entsprachen damit dem zeitlosen Aphorismus, »gutes Geld dem schlechten hinterher zuwerfen«. Das war eine annähernd exakte Beschreibung dessen, was zu tun sie gezwungen waren.
    Das unausweichliche Ergebnis war ein allgemeiner Run, der Absturz aller Aktien an allen Börsen. Bis drei Uhr nachmittags war der Dow um hundertsiebzig Punkte abgesackt. Noch schlechtere Resultate zeigte der »Standard and Poor's Five Hundred« -Index, doch am schlimmsten betroffen war der NASDAQ-Composite-Index, denn private Anleger aus ganz Amerika wählten die mit 1-800 beginnenden Nummern ihrer Investmentfonds an.
    Es kam zu einem Konferenzgespräch zwischen sämtlichen Börsenvorständen und den in Washington versammelten Mitgliedern der Börsenaufsichtskommission (SEC), das überhaupt nichts brachte, weil zehn Minuten lang alle Stimmen Antworten auf dieselben Fragen verlangten, die zur gleichen Zeit die anderen stellten. Die Regierungsvertreter forderten aktuelle Informationen; sie wollten genau wissen, wie weit die Herde vom Abgrund entfernt war und wie schnell sie auf ihn zuraste, aber sie steuerten nicht das geringste dazu bei, das Vieh in Sicherheit zu bringen. Der Vorstand der New Yorker Börse folgte nicht seinem Instinkt, die Börse zu schließen oder den Handel auf andere Weise einzuschränken. Während der knapp zwanzig Minuten des Gesprächs fiel der Dow nochmals um neunzig Punkte, womit er im freien Fall über zweihundert Punkte verloren hatte und auf die dreihundert zusteuerte. Nachdem die Mitglieder der SECKommission das Gespräch abgebrochen hatten, um im kleinen Kreis weiterzuberaten,

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