08 - Ehrenschuld
stärksten Maschinen, die man überhaupt in Schiffe einbaute, damit der Luftstrom über den Bug so groß wie möglich war. Zusammen mit dem Startimpuls, den das Dampfkatapult erzeugte, gab der Gegenwind dem in die Luft geschleuderten Flugzeug den nötigen Auftrieb. Von diesem Luftstrom hing ihre Startfähigkeit ab und - was aus taktischer Sicht bedeutsamer war - das Gewicht, das sie mitnehmen konnten, also Waffen und Treibstoff. Er brachte die Flugzeuge zwar in die Luft, aber ohne den Treibstoff, den sie brauchten, um länger oben zu bleiben oder den Ozean nach Zielen abzusuchen, und ohne die Waffen, die sie brauchten, um diese Ziele anzugreifen. Er konnte, so schätzte er, Jagdflieger bis zu einem Radius von vielleicht hundert Meilen einsetzen, um die Flotte gegen eine Bedrohung aus der Luft zu verteidigen. Aber es gab keine Bedrohung aus der Luft, und obwohl sie die Position der sich zurückziehenden japanischen Formation kannten, hatte er nicht die Fähigkeit, sie mit seinen Angriffsflugzeugen zu erreichen. Aber er hatte ja ohnehin keine Befehle, die ihm das gestattet hätten.
Angeblich ist die Nacht auf dem Meer etwas Schönes, aber das galt diesmal nicht. Mond und Sterne spiegelten sich auf dem ruhigen Wasser und machten alle nervös. Funkstille hin oder her, das Licht reichte völlig, um die Schiffe unschwer auszumachen. Aktiv waren von seinem Geschwader eigentlich nur die Anti-U-Boot-Hubschrauber, deren blinkende Positionslichter hauptsächlich vor den Flugzeugträgern herschwebten, ergänzt durch einige von den Geleitschiffen der Johnnie Reb. Das einzig Gute an der niedrigen Marschgeschwindigkeit der Flotte war, daß die Breitband-Sonarsysteme, welche die Zerstörer und Fregatten hinter sich herschleppten, hervorragende Leistungen zeigten. Es waren nicht sehr viele. Die meisten Geleitschiffe waren bei der Enterprise zurückgeblieben und umringten sie in zwei Schichten wie die Leibwächter ein Staatsoberhaupt, während eines von ihnen, ein Aegis-Kreuzer, ihr mit einem Schlepptau zu helfen versuchte, so daß sie jetzt immerhin auf eine Marschgeschwindigkeit von sechseinhalb Knoten kam. Wenn ihr nicht ein kräftiger Sturm entgegenwehte, konnte Big-E überhaupt keine Flugoperationen durchführen.
Unterseeboote, immer schon die größte Bedrohung für Flugzeugträger, konnten da draußen irgendwo sein. Pearl Harbor sagte zwar, sie hätten in der Umgebung des nunmehr aufgeteilten Gefechtsverbandes keinerlei Kontakte, aber vom sicheren Ufer aus war so etwas leicht gesagt. Die Sonartechniker, von nervösen Offizieren gedrängt, nur ja nichts zu überhören, entdeckten vielmehr Dinge, die überhaupt nicht da waren: Wirbel im Wasser, Echos der Gespräche zwischen Fischen und alles mögliche. Wie nervös die Formation war, zeigte sich daran, daß eine Fregatte, die fünf Meilen voraus fuhr, plötzlich Tempo zulegte und eine scharfe Wende nach links fuhr, wobei unzweifelhaft ihr Aktivsonar pingte, vermutlich nur wegen der überhitzten Phantasie eines Sonarmannes dritter Klasse, der möglicherweise einen Wal furzen gehört hatte. Vielleicht waren es auch zwei Fürze, dachte Captain Sanchez. Einer seiner Seahawks schwebte jetzt dicht über der Oberfläche und tauchte seine Sonarkuppel ein, um selbst ein bißchen zu schnüffeln. Eintausenddreihundert Meilen zurück nach Pearl Harbor, dachte Sanchez. Zwölf Knoten. Das bedeutete viereinhalb Tage. Jede einzelne Meile unter der Gefahr eines U-BootAngriffs.
Die andere Frage war: Welches Genie hatte bloß gemeint, es sei eine gute Idee, sich aus dem westlichen Pazifik zurückzuziehen? Waren die Vereinigten Staaten eine Weltmacht oder nicht? War es denn nicht wichtig, überall in der Welt Macht zu projizieren? Auf jeden Fall war es einmal wichtig gewesen, dachte Sanchez in Erinnerung an seine Kurse auf dem War College. Newport war sein letzter »Posten« gewesen, bevor er die Stellung eines Commander, Air Wing, übernommen hatte. Die U.S. Navy war zwei Generationen lang die größte Streitmacht der Welt gewesen, die allein durch ihre Existenz, allein dadurch, daß sie ihre Abbildungen in den aktualisierten Ausgaben von Jane's Fighting Ships zeigte, abzuschrecken und einzuschüchtern vermochte. Man konnte nie wissen, wo diese Schiffe waren. Man konnte nur die leeren Liegeplätze in den großen Marinestützpunkten zählen und sich fragen, wo sie sein mochten. Nun, jetzt würde es nicht mehr viel zu fragen geben. Die beiden größten Instandsetzungsdocks von Pearl Harbor würden
Weitere Kostenlose Bücher