08 - Ehrenschuld
auf absehbare Zeit besetzt sein, und wenn die Nachricht von den Marianen stimmte, fehlte es Amerika an der mobilen Feuerkraft, um sie zurückzuholen, selbst wenn Mike Dubro beschloß, im Eilmarsch zurückzudampfen.
»Hallo, Chris, danke, daß Sie gekommen sind.«
Der Botschafter würde in wenigen Minuten im Weißen Haus eintreffen.
Der Zeitpunkt war unmöglich, aber wer auch immer in Tokio
Entscheidungen traf, er harte keine Rücksicht darauf genommen, ob es in
Nagumos Pläne paßte oder nicht. Die Sache war noch aus einem anderen
Grunde mißlich. Washington, das normalerweise wenig Notiz von
Ausländern nahm, würde sich bald verändern, und jetzt war Nagumo zum
ersten Mal ein gaijin.
»Seiji, was zum Teufel ist da draußen passiert?« fragte Cook. Beide Männer gehörten dem University Club an, einem vornehmen
Etablissement, das direkt neben der russischen Botschaft lag, und da es über eine der besten Sporthallen in der Stadt verfügte, wurde es gern für ein tüchtiges Training und eine rasche Mahlzeit aufgesucht. Ein japanisches Handelsunternehmen unterhielt dort eine Reihe von Räumen, und auch wenn sie diesen Treffpunkt künftig nicht mehr würden nutzen können,
garantierte er doch im Augenblick die gewünschte Anonymität. »Was hat man Ihnen erzählt, Chris?«
»Daß eines Ihrer Marineschiffe einen kleinen Unfall hatte. Mensch,
Seiji, stehen die Dinge denn nicht schon schlimm genug ohne einen solchen
Fehler? Waren die verdammten Benzintanks nicht genug?« Nagumo ließ
sich eine Sekunde Zeit, bevor er antwortete. Es war schon erfreulich, was
Chris ihm sagte. Man versuchte, die Vorgänge zu verheimlichen, wie er es
vorausgesagt und wie der Botschafter gehofft hatte. Er war jetzt erregt, auch
wenn er sich nichts anmerken ließ.
»Chris, es war kein Unfall.«
»Was soll das heißen?«
»Das soll heißen, daß es so etwas wie eine Schlacht gegeben hat. Mein
Land fühlt sich sehr bedroht, und wir haben, um uns zu schützen, gewisse
Verteidigungsmaßnahmen ergriffen.«
Cook kapierte es einfach nicht. Er war zwar einer der Japan-Spezialisten
des State Department, aber man hatte ihn noch nicht zu einer umfassenden
Unterrichtung gebeten, und er wußte nur, was er im Autoradio
mitbekommen hatte, und das war recht dürftig. Es überstieg - das sah
Nagumo - Chris' Vorstellungsvermögen, daß sein Land angegriffen werden
könnte. Schließlich waren ja die Sowjets nicht mehr da. Für Seiji Nagumo
war es eine Genugtuung. Ihn erschreckten zwar die Risiken, die sein Land
einging, und er kannte nicht die Gründe, warum das geschah, aber er war
ein Patriot. Er liebte sein Vaterland wie jeder. Außerdem war er ein Teil
seiner Kultur. Er hatte Befehle und Anweisungen. Mochte er sich auch im
stillen über sie empören, so hatte er doch beschlossen, ein Soldat seines
Landes zu sein, und damit basta. Und der eigentliche gaijin war Cook, nicht
er. Das sagte er sich immer wieder.
»Chris, unsere Länder befinden sich gewissermaßen im Krieg. Ihr habt
uns zu sehr in die Enge getrieben. Verzeihen Sie mir, ich bin nicht darüber
erfreut, das müssen Sie verstehen.«
»Moment!« Chris Cook schüttelte den Kopf, und sein Gesicht verzog sich zu einem ganz seltsamen Ausdruck. »Sagten Sie Krieg? Ein richtiger
Krieg?«
Nagumo nickte langsam und sagte in einem vernünftigen, bedauernden
Tonfall: »Wir haben die Marianen besetzt. Zum Glück wurde dies ohne
Verluste von Menschenleben erreicht. Der kurze Zusammenstoß zwischen
den Marinen unserer beiden Länder hatte möglicherweise Folgen, die
schwerer wiegen, aber nicht sehr viel schwerer. Beide Seiten ziehen sich
jetzt voneinander zurück, und das ist begrüßenswert.«
»Sie haben Leute von uns getötet?«
»Ja, ich muß leider sagen, daß möglicherweise auf beiden Seiten einige
ihr Leben verloren haben.« Nagumo schwieg und senkte seinen Blick, als
könne er seinem Freund nicht in die Augen schauen. Er hatte dort schon die
Emotionen gesehen, mit denen er gerechnet hatte. »Machen Sie bitte nicht
mich dafür verantwortlich, Chris«, fuhr er leise fort, mit einer Stimme, die
er offenbar streng unter Kontrolle hielt. »Aber diese Dinge sind nun einmal
geschehen. Ich hatte daran keinen Anteil. Mich hat niemand nach meiner
Meinung gefragt. Sie wissen, was ich geantwortet hätte. Sie wissen, wozu
ich geraten hätte.« Jedes Wort war ehrlich gemeint, und Cook wußte es. »Mensch, Seiji, was können wir tun?« Die Frage war ein Beweis seiner
Freundschaft und Unterstützung und als solche ganz
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