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08 - Ehrenschuld

08 - Ehrenschuld

Titel: 08 - Ehrenschuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
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Gant und klopfte mit dem Kugelschreiber auf den Tisch. Nur zwei Sitze mehr als die Hälfte waren besetzt, aber es reichte zur Beschlußfähigkeit.
»George, Sie haben das Wort.«
    Die Blicke aus den Gesichtern machten George Winston Sorgen. Die Männer und Frauen, die über die Unternehmensstrategie der Columbus Group entschieden, waren körperlich erschöpft. Außerdem waren sie in Panik. Aber es war ein dritter Aspekt, der ihm den meisten Kummer machte: die Hoffnung, die sie wegen seiner Anwesenheit zeigten, als wäre er Jesus, der die Wechsler aus dem Tempel verjagen würde. So sollte es nicht sein. Kein einzelner Mensch sollte diese Macht haben. Dafür war die amerikanische Wirtschaft zu groß. Zu viele Menschen waren von ihr abhängig. Vor allem war sie zu komplex, um von einem oder auch von zwanzig Männern völlig durchschaut zu werden.
    Das war das Problem mit den Modellen, auf die sich alle verließen. Früher oder später mußte man versuchen, etwas auszuloten, zu messen und zu regeln, das einfach da war. Es existierte. Es klappte. Es funktionierte. Die Leute brauchten es, aber niemand wußte eigentlich, wie es funktionierte. Die Hauptschwäche der Marxisten war ihre Illusion gewesen, sie wüßten, wie es funktionierte. Die Sowjets hatten drei Generationen lang versucht, eine Wirtschaft zu kommandieren, statt sie allein arbeiten zu lassen, und hatten zum Schluß als Bettler im reichsten Land der Welt gelebt. Und hier war es nicht völlig anders. Statt sie zu kontrollieren, versuchte man, davon zu profitieren, aber in beiden Fällen hatte man die Illusion, sie zu verstehen. Und das tat letztlich niemand, außer im allgemeinsten Sinne.
    Im Grunde drehte sich alles um Bedürfnisse und Zeit. Die Menschen hatten Bedürfnisse. Nahrung und Wohnung waren die wichtigsten. Also produzierten andere Menschen Nahrung und bauten Häuser. Beides erforderte Zeit, und weil Zeit das wertvollste Gut des Menschen war, mußte man die Menschen dafür entschädigen. Zum Beispiel ein Auto - die Leute brauchten auch Verkehrsmittel. Wenn man ein Auto kaufte, bezahlte man die Leute für die Zeit der Montage, für die Zeit, die nötig war, um alle Teile herzustellen, letztlich bezahlte man auch die Bergleute dafür, Erz und Bauxit aus der Erde zu holen. So weit war es einfach. Schwierig wurde es, wenn alle potentiellen Optionen ins Spiel kamen. Man konnte mehr als eine Art Wagen fahren. Jeder, der Waren und Dienstleistungen für das Auto lieferte, hatte die Wahl, aus verschiedenen Quellen das zu beziehen, was er brauchte, und da Zeit wertvoll war, bekam der, der seine Zeit am effektivsten einsetzte, eine weitere Prämie. Man nannte das Konkurrenz, und Konkurrenz war ein ewiger Wettlauf aller gegen alle. Im Prinzip machte jedes Unternehmen und in gewissem Sinne jede einzelne Person in Amerika jeder anderen Konkurrenz. Jeder war ein Arbeiter. Jeder war gleichzeitig auch ein Konsument. Jeder stellte etwas her, das für andere nützlich war. Jeder wählte Produkte und Dienstleistungen aus der breiten Palette aus, die von der Wirtschaft angeboten wurde. Das war das Grundprinzip.
    Wirklich komplex wurde es durch all die möglichen Querverbindungen. Wer kaufte was von wem. Wer wurde effizienter, machte besseren Gebrauch von seiner Zeit und nutzte damit zugleich sich und den Konsumenten. Da jeder mitspielte, war es wie eine riesige Menschenmenge, in der jeder mit jedem redete. Man konnte einfach nicht jedes Gespräch mitverfolgen.
    Und doch hatte Wall Street die Illusion, sie könnte es, beziehungsweise ihre Computermodelle könnten ungefähr vorhersagen, was von Tag zu Tag passieren würde. Es war unmöglich. Man konnte einzelne Unternehmen analysieren, abschätzen, was sie richtig und was sie falsch machten. In begrenztem Umfang konnte man aus einer oder mehreren dieser Analysen Trends ableiten und davon profitieren. Aber der Einsatz von Computern und Modellen war viel zu weit gegangen, und die Berechnungen hatten sich immer weiter von der Realität entfernt. Bei dem Zusammenbruch vor drei Tagen war die Illusion zerbrochen, und jetzt hatten die Leute nichts mehr, woran sie sich festhalten konnten. Nichts außer mir, dachte Winston, indem er ihren Gesichtsausdruck deutete.
    Der frühere Präsident der Columbus Group kannte seine Grenzen. Er wußte, wie weit er das System verstand und wo ungefähr sein Verständnis endete. Er wußte, daß niemand das ganze System zum Laufen bringen konnte, und dieser Gedanke brachte ihn fast so weit, wie er

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