08 - Ehrenschuld
an, die sich wie ein Monument auf der Rampe erhob - freilich ein Monument anderer Art, als die Amerikaner dachten.
»Ist ja 'ne verdammt schwere Instrumentenladung«, bemerkte ein NASA-Beobachter.
»Wir möchten sichergehen, daß wir eine schwere Nutzlast in die Umlaufbahn bringen können«, war die schlichte Antwort eines Raketeningenieurs.
»Na, dann mal los ...«
Die Zündung des Raketenmotors löste ein kurzes Flackern auf den Fernsehbildschirmen aus, bis der strahlende Glanz der weißen Flamme elektronisch kompensiert wurde. Der H-11 Booster erhob sich tatsächlich, eine Feuersäule und eine Rauchfahne hinter sich lassend.
»Was haben Sie mit dem Treibstoff gemacht?« fragte der Mann von der
NASA leise.
»Bessere Chemie«, erwiderte sein japanischer Kollege, der nicht den
Bildschirm, sondern eine Reihe von Instrumenten beobachtete. »Vor allem
bessere Qualitätskontrolle und höhere Reinheit des Oxidationsmittels.« »Das haben sie nie richtig gekonnt«, pflichtete ihm der Amerikaner bei. Er sieht einfach nicht, was er sieht, dachten beide Ingenieure. Yamatasan hatte recht. Es war verblüffend.
Radargelenkte Kameras folgten der Rakete hinauf in den klaren
Himmel. Der H-11 stieg zunächst etwa dreihundert Meter weit senkrecht
auf, dann ging er langsam und anmutig auf eine gekrümmte Bahn über, und
seine sichtbare Erscheinung schrumpfte zu einer weißgelben Scheibe. Die
Flugbahn wurde zunehmend horizontal, bis der sich beschleunigende
Raketenkörper sich fast in direkter Linie von den Beobachtungskameras
entfernte.
»BECO«, hauchte der NASA-Mann genau im richtigen Augenblick.
BECO bedeutete Brennschluß des Boosters, denn er dachte an einen
Raumflugstart. »Und Trennung ... und Zündung der zweiten Stufe ...«
Damit lag er richtig. Eine Kamera folgte der abstürzenden ersten Stufe, die
vom Abbrennen des restlichen Treibstoffs noch immer glühte, als sie ins
Meer fiel.
»Werden Sie sie bergen?« fragte der Amerikaner.
»Nein.«
Als der Sichtkontakt abbrach, wandten alle Augen sich der
Telemetrieanzeige zu. Die Rakete beschleunigte noch immer, exakt auf
ihrer theoretischen Leistungskurve, in südöstlicher Richtung. Elektronische
Displays zeigten numerisch und graphisch den Weg des H-11 an. »Ist die Trajektorie nicht ein bißchen zu hoch?«
»Wir wollen eine elliptische Umlaufbahn«, erklärte der Projektmanager.
»Wenn geklärt ist, daß wir das Gewicht in die Umlaufbahn bringen können
und wir den genauen Wiedereintrittspunkt bestimmen können, wird die
Nutzlast nach wenigen Wochen die Umlaufbahn verlassen. Wir wollen
nichts zu dem Abfall da oben beitragen.«
»Nett von Ihnen. Das ganze Zeug da oben wird für unsere bemannten
Flüge allmählich zum Problem.« Der NASA-Mann schwieg und beschloß
dann, eine heikle Frage zu stellen. »Wie groß ist Ihre maximale Nutzlast?« »Äußerstenfalls fünf Tonnen.«
Er pfiff. »Und Sie glauben, daß Sie aus dieser Rakete so viel Leistung
herausholen können?« Fünf Tonnen, das war die magische Zahl. Wenn man
so viel in eine erdnahe Umlaufbahn bringen konnte, dann konnte man
geostationäre Fernmeldesatelliten hochbringen. In fünf Tonnen waren der
Satellit und der zusätzliche Raketenmotor zur Erreichung der größeren
Höhe unterzubringen. »Ihre Transportstufe muß ja eine ganz heiße Sache
sein.«
Die Antwort war ein Lächeln. »Das ist ein Betriebsgeheimnis.« »Nun, das werden wir wohl in rund neunzig Sekunden sehen.« Der
Amerikaner drehte sich auf seinem Stuhl um und beobachtete die digitale
Telemetrie. Konnte es sein, daß sie etwas wußten, wovon er und seine Leute
keine Ahnung hatten? Er glaubte es nicht, aber um sicherzugehen, hatte die
NASA eine Kamera auf den H-11 angesetzt. Davon wußten die Japaner
natürlich nichts. Die NASA hatte auf der ganzen Erde Beobachtungsposten
zur Überwachung der amerikanischen Raumflugaktivitäten, und da sie oft
nichts zu tun hatten, gingen sie allen möglichen Dingen nach. Die Posten
auf Johnston Island und auf dem Kwajalein-Atoll waren ursprünglich
eingerichtet worden, um das SDI-System zu testen und sowjetische
Raketenstarts zu verfolgen.
Die Beobachtungskamera auf Johnston Island hieß Amber Ball, und ihre Sechsermannschaft erfaßte den H-11, nachdem sie ein Satellit des Defense Support Program auf den Start hingewiesen hatte, der ebenfalls zur Beobachtung sowjetischer Raketenstarts gebaut und in die Umlaufbahn gebracht worden war. Ein Ding aus einer verflossenen Zeit, dachten sie alle. »Sieht ganz nach einer -19
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