08 - Ehrenschuld
sonstigen Fehler sein mochten, seinem Tod, das sah Ryan, begegnete Corp mit Würde. Er hatte sich gerade einen Bandausschnitt angesehen, der von CNN als ungeeignet für die reguläre Nachrichtensendung eingestuft wo rden war. Nach einer Ansprache, deren Übersetzung Ryan auf zwei Blatt Papier vorlag, wurde die Schlinge um den Hals gelegt und die Falltür geöffnet. Die Kameraleute von CNN hatten die letzten Zuckungen des Gehenkten in Großaufnahme festgehalten, zum Abschluß eines Beitrags über die Wirtschaft seines Landes. Mohammed Abdul Corp. Tyrann, Mörder, Drogenschmuggler. Tot.
»Ich hoffe nur, daß wir keinen Märtyrer geschaffen haben«, sagte Brett
Hanson in die Stille hinein, die sich in Ryans Büro ausgebreitet hatte. »Mr. Secretary«, sagte Ryan und wandte sich zu seinem Gast um, der
eine Übersetzung der letzten Worte von Corp las. »Märtyrer haben alle
eines gemeinsam.«
»Und das wäre, Ryan?«
»Sie sind alle tot.« Jack machte eine Kunstpause. »Dieser Kerl ist nicht
für Gott oder sein Vaterland gestorben. Er starb, weil er Verbrechen
begangen hatte. Sie haben ihn nicht gehängt, weil er Amerikaner getötet hat.
Sie haben ihn gehängt, weil er seine eigenen Leute getötet und Drogen
verkauft hat. Das ist nicht der Stoff, aus dem Märtyrer gemacht sind. Der
Fall ist abgeschlossen«, sagte Jack mit Nachdruck und legte die ungelesene
Ansprache in seinen Ausgangskorb, als er zum nächsten Punkt überging.
»Nun, was haben wir über Indien erfahren?«
»Diplomatisch gesehen, nichts.«
»Mary Pat?« wandte sich Jack an die Vertreterin der CIA.
»Im Süden betreibt eine schwere motorisierte Brigade ein intensives
Training. Wir haben Satellitenaufnahmen von vor zwei Tagen. Sie scheinen
als Einheit zu üben.«
»Menschliche Nachrichtenquellen?«
»Keine Kräfte vor Ort«, räumte Mrs. Foley ein. »Sorry, Jack. Es wird
noch Jahre dauern, bis wir überall, wo es nötig wäre, Leute einsetzen
können.«
Ryan murrte leise. Satellitenfotos waren an sich nicht schlecht, aber es
waren bloß Fotos. Fotos verrieten einem nur Formen, keine Gedanken.
Ryan benötigte die Gedanken. Mary Pat, das wußte er, tat ihr Bestes, um
das zu regeln.
»Nach Auskunft der Navy ist ihre Flotte sehr fleißig, und nach dem
Ablauf ihrer Operationen zu schließen, haben sie einen Sperrauftrag.« Die Satelliten zeigten in der Tat, daß der Bestand an amphibischen Kriegsschiffen der indischen Marine in zwei Geschwadern zusammengefaßt wurde. Das eine war auf See, ungefähr zweihundert Meilen von seiner Basis entfernt, und übte als Verband. Das andere wurde auf derselben Marinebasis Wartungsarbeiten unterzogen, gleichfalls als Verband. Die Basis lag in einiger Entfernung von der übenden Brigade, aber es gab eine Bahnverbindung zwischen dem Heeresstützpunkt und der Marinebasis. Analysten prüften jetzt täglich die Rangierbahnhöfe an beiden Orten.
Wenigstens dafür waren Satelliten gut.
»Wirklich nichts, Brett? Wenn ich mich recht erinnere, haben wir dort
einen ziemlich guten Botschafter.«
»Ich möchte ihn nicht zu sehr bedrängen. Das, was wir an Einfluß und
Zugang haben, könnte Schaden nehmen«, erklärte der Außenminister. Mrs.
Foley mußte sich beherrschen, um nicht mit den Augen zu rollen. »Mr. Secretary«, sagte Ryan geduldig, »angesichts der Tatsache, daß wir
derzeit weder Informationen noch Einfluß haben, könnte alles, was er
herausbekommt, hilfreich sein. Soll ich ihn anrufen, oder werden Sie es
tun?«
»Er arbeitet für mich, Ryan.« Jack ließ einige Sekunden verstreichen,
ehe er auf den Hieb reagierte. Er haßte Territorialkämpfe, die allerdings in
der Führungsebene der Regierung ein Lieblingssport zu sein schienen. »Er arbeitet für die Vereinigten Staaten von Amerika. Genaugenommen
arbeitet er für den Präsidenten. Meine Aufgabe ist, den Präsidenten darüber
zu unterrichten, was dort drüben passiert, und ich brauche Informationen.
Lassen Sie ihn bitte in Aktion treten. Er hat einen CIA-Chef, der für ihn
tätig ist. Er hat drei uniformierte Attaches. Ich wünsche sie alle in Aktion zu
sehen. Zweck der Übung ist, genau zu bestimmen, was für die Navy und für
mich nach Vorbereitungen für einen möglichen Einmarsch in ein
souveränes Land aussieht. Das möchten wir verhindern.«
»Ich kann nicht glauben, daß Indien tatsächlich so etwas tun würde«,
sagte Brett Hanson einigermaßen gewunden. »Ich habe mehrmals mit ihrem
Außenminister gespeist, und er hat mir gegenüber nie die geringste
Andeutung
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