08 - Ehrenschuld
Murray
so zartfühlend wie möglich. »Soll ich Ihnen sagen, warum? Wenn wir
gegen diesen Scheißkerl ein Impeachmentverfahren einleiten, steht das
Ergebnis von vornherein fest. Die Verhandlung im US-Senat ist eine bloße
Formsache. Danach können wir ihn vor ein richtiges Bundesbezirksgericht
bringen, und dort wird er als der Verbrecher, der er ist, verurteilt werden. Es wird sehr schwer für Sie sein, aber wenn er ins Gefängnis geht, wird es für ihn noch viel schwerer werden. So funktioniert das System nun mal. Es ist nicht vollkommen, aber ein besseres haben wir nicht. Und wenn alles vorbei ist, Barbara, werden Sie Ihre Würde wiedererlangt haben, und niemand wird
sie Ihnen jemals wieder nehmen können.«
»Ich werde nicht mehr weglaufen, Mr. Murray.« Innerhalb von zwei
Wochen hatte sie sich sehr verändert. Ihr Rückgrat war jetzt gestärkt. Es
war vielleicht nicht aus Stahl, aber es wurde täglich stärker. Er fragte sich,
ob es stark genug sein würde. Die Chancen, dachte er, standen 6:5, und da
durfte man nicht zaudern.
»Sie können Dan zu mir sagen. Für meine Freunde heiße ich Dan.«
»Was war es, was Sie vor Brett nicht sagen wollten?«
»Wir haben einen Mann in Japan ...«, begann Mrs. Foley, ohne Chet
Nomuris Namen zu nennen. Ihr Bericht dauerte einige Minuten. Er war nicht gerade überrascht. Ryan hatte einige Jahre zuvor selbst den
Vorschlag gemacht, hier im Weißen Haus, vor dem damaligen Präsidenten
Fowler. Allzu viele Amtsinhaber verließen den amerikanischen
Staatsdienst, um unverzüglich als Lobbyisten oder Berater für japanische
Unternehmen oder gar direkt für die japanische Regierung tätig zu werden,
durchweg für einen weit höheren Lohn, als ihn der amerikanische
Steuerzahler bot. Ryan fand diese Tatsache beunruhigend. Es war zwar
nicht verboten, aber es war doch unziemlich. Und dann war da noch etwas.
Man wechselte nicht mir nichts, dir nichts den Bürostandort für ein
verzehnfachtes Einkommen. Vorher mußte eine Rekrutierung stattgefunden
haben, und die mußte sich auf etwas stützen. Ein angeworbener Agent
mußte, wie bei jeder anderen Form von Spionage, vorweg beweisen, daß er
etwas Wertvolles liefern konnte. Jene Amtsinhaber, die sich nach einem
höheren Einkommen sehnten, konnten diesen Beweis nur dadurch
erbringen, daß sie heikle Informationen lieferten, während sie noch im Amt
waren. Und das war echte Spionage, ein Verbrechen nach Paragraph 18 des
amerikanischen Strafgesetzbuchs. Ganz im stillen versuchte eine
gemeinsame Operation von CIA und FBI solche Fälle aufzudecken. Es war
die Operation SANDALWOOD , und hier kam Chet Nomuri ins Spiel. »Was haben wir bislang herausbekommen?«
»Noch nichts Einschlägiges«, erwiderte Mary Pat. »Aber wir haben
einige interessante Dinge über Hiroshi Goto erfahren. Er hat ein paar
schlechte Gewohnheiten.« Sie nannte die Einzelheiten.
»Er mag uns wohl nicht besonders, wie?«
»Er mag, um es einmal so auszudrücken, Amerikanerinnen recht gern.« »Das können wir nicht so einfach verwenden.« Ryan lehnte sich in
seinem Sessel zurück. Es war widerlich, besonders für einen Mann, dessen
älteste Tochter bald anfangen würde, mit Jungen zu gehen, etwas, das Väter
im besten Fall hart ankam. »Es gibt da draußen eine Menge verlorene
Seelen, MP, und wir können sie nicht alle retten«, sagte Jack ohne
sonderliche Überzeugung.
»An dieser Sache ist etwas faul, Jack.«
»Wie meinen Sie das?«
»Ich weiß es nicht. Es ist vielleicht die Unbekümmertheit. Dieser Kerl
könnte in einigen Wochen ihr Ministerpräsident werden. Die zaibatsu haben
ihn in letzter Zeit sehr gestützt. Die derzeitige Regierung wackelt. Er sollte
den Staatsmann spielen und nicht den großen Macker, und dann ein junges
Mädchen derart zur Schau zu stellen ...«
»Andere Länder, andere Sitten.« Ryan machte den Fehler, seine müden
Augen für einen Moment zu schließen, und währenddessen malte er sich ein
Bild aus, das den Worten von Mrs. Foley entsprach. Sie ist eine
amerikanische Bürgerin, Jack. Das sind die Leute, die für dein Gehalt
aufkommen. Er schlug die Augen wieder auf.
»Wie gut ist Ihr Agent?«
»Er ist sehr auf Draht. Er ist seit sechs Monaten im Lande.« »Hat er schon jemanden angeworben?«
»Nein, er hat Anweisung, es langsam angehen zu lassen. Man muß dort
behutsam vorgehen. Sie haben andere Sitten. Er hat ein paar Unzufriedene
ausfindig gemacht, und er läßt sich Zeit.«
»Yamata und Goto ... aber das ergibt doch keinen Sinn, oder? Yamata
hat
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