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08 - Ehrenschuld

08 - Ehrenschuld

Titel: 08 - Ehrenschuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
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hält.« Nagumo ließ sich die Sache durch den Kopf gehen, während er an seinem Wein nippte und aus dem Fenster schaute. Wäre ihm diese Tatsache während der heutigen Verhandlungen bekannt gewesen, hätte er vielleicht um die Erlaubnis ersucht, in diesem Punkt nachzugeben. Jetzt etwas zu ändern hätte bedeutet, einen Fehler einzuräumen, und dazu hatte Nagumo genausowenig Neigung wie jeder Mensch. Statt dessen beschloß er, ein erhöhtes Angebot für die Lizenzrechte vorzuschlagen - und ahnte nicht, daß er mit der mangelnden Bereitschaft, einen persönlichen Gesichtsverlust hinzunehmen, etwas heraufbeschwören würde, das er sonst um jeden Preis zu vermeiden versucht hätte.

5 / Komplexitätstheorie
    Dinge geschehen selten aus einem einzigen Grund. Selbst die gerissensten und geschicktesten Drahtzieher geben zu, daß die eigentliche Kunst darin besteht, sich Unvorhersehbares zunutze zu machen. Für Raizo Yamata war dies im allgemeinen eine tröstliche Erkenntnis. Gewöhnlich wußte er, was er zu tun hatte, wenn das Unerwartete geschah - aber nicht immer.
    »Es war eine schwere Zeit, gewiß, aber nicht die schlimmste, die wir durchgemacht haben«, erklärte einer seiner Gäste. »Und wir werden uns erneut durchsetzen, nicht wahr?«
    »Wir haben sie bei den Computerchips zum Nachgeben gezwungen«, meinte ein anderer. Rings um den niedrigen Tisch wurde zustimmend genickt.
    Sie kapierten einfach nicht, dachte Yamata. Jetzt gab es eine neue Chance, die sich mit den Bedürfnissen seines Landes deckte. Es gab eine neue Welt, und obwohl Amerika wiederholt eine neue Ordnung für diese Welt verkündet hatte, war doch nur Unordnung an die Stelle dessen getreten, was drei Generationen lang, wenn nicht Stabilität, so doch Berechenbarkeit gewesen war. Aus gegenwärtiger Sicht lag die Symmetrie zwischen Ost und West so weit in der geschichtlichen Vergangenheit zurück, daß sie wie ein fernes unangenehmer Traum erschien. Die Russen litten noch immer an den Folgen ihres fehlgeleiteten Experiments, und auch die Amerikaner wankten, wenngleich sie sich ihren nachträglichen Kummer zum größten Teil selbst bereitet hatten, diese Narren. Statt einfach an ihrer Macht festzuhalten, hatten die Amerikaner sie in dem Moment, da ihnen der bestimmende Einfluß zufiel, aufgegeben, und in dem Verblassen der beiden ehemaligen Großmächte lag die Chance für ein Land, das wahrhaft groß zu sein verdiente.
    »Das sind Kleinigkeiten, meine Freunde«, sagte Yamata und beugte sich würdevoll über den Tisch, um seinen Gästen nachzuschenken. »Die Schwäche unseres Landes ist eine strukturelle, und zu unseren Lebzeiten hat sich daran im Grunde nichts geändert.«
    »Bitte erläutern Sie uns das, Raizo-chan«, bat einer seiner Gäste, mit dem er enger befreundet war.
»Solange wir keinen direkten Zugang zu Ressourcen haben, solange wir diesen Zugang nicht selbst kontrollieren können, solange wir die Werkbank für andere Nationen sind, so lange sind wir verwundbar.«
»Oh!« Von der anderen Seite des Tisches her machte ein Mann eine ablehnende Geste. »Ich bin anderer Meinung. In den Dingen, auf die es ankommt, sind wir stark.«
»Und welche Dinge wären das?« fragte Yamata mit äußerst liebenswürdiger Stimme.
»An erster Stelle der Fleiß unserer Arbeiter, das Können unserer Konstrukteure ...« Die Aufzählung ging noch weiter, und Yamata und seine übrigen Gäste lauschten ihr höflich.
»Und wie lange werden diese Dinge noch eine Rolle spielen, wenn wir keine Ressourcen mehr haben, die wir einsetzen können, Wenn uns das Öl ausgeht?« wollte einer von Yamatas Verbündeten wissen und begann seinerseits mit einer Aufzählung.
»Wird sich 1941 wiederholen?«
v »Nein, so wird es nicht sein ... nicht genauso«, sagte Yamata, der sich wieder ins Gespräch einschaltete. »Damals konnten sie uns den Ölhahn zudrehen, weil wir es fast ausschließlich bei ihnen kauften. Heute ist es komplizierter. Damals mußten sie unsere Guthaben sperren, um uns daran zu hindern, sie anderweitig zu verwenden. Heute werten sie den Dollar gegenüber dem Yen ab, und unsere Guthaben sitzen bei ihnen fest, stimmt's? Heute bringen sie uns mit List dazu, unser Geld bei ihnen zu investieren, und wenn wir es tun, beschweren sie sich, sie betrügen uns nach Strich und Faden, sie behalten, was wir ihnen geben, als ihr Eigentum, und dann stehlen sie sich wieder, was wir gekauft haben!«
Diese Wendung weckte Aufmerksamkeit und Zustimmung. Alle hier Versammelten hatten diese

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