08 - Ehrenschuld
trank auf ihn. Cook erwiderte die Geste.
»Ganz sicher«, pflichtete der Vertreter des Außenministeriums ihm bei. »Es war, wie Sie wissen, ein Ziel der amerikanischen Außenpolitik seit Ende der vierziger Jahre - schon für Bernard Baruch, wenn ich mich recht erinnere -, die Massenvernichtungswaffen und die von ihnen ausgehende Gefahr für die Menschheit zu beseitigen. Wie Sie wohl wissen ...«
Nagumo fiel ihm überraschend ins Wort. »Ich weiß besser Bescheid, als Sie sich vielleicht vorstellen, Christopher. Mein Großvater wohnte in Nagasaki. Er war Maschinist auf der dortigen Marinebasis. Er überlebte die Bombe - seine Frau bedauerlicherweise nicht -, aber er erlitt schreckliche Verbrennungen, an deren Narben ich mich noch gut erinnern kann. Er ist ich muß es leider sagen - vorzeitig gestorben.« Mit dieser Karte verstand er geschickt zu spielen, zumal da es eine Lüge war.
»Das wußte ich nicht, Seiji. Tut mir leid«, sagte Cook aufrichtig. Schließlich war es das Ziel der Diplomatie, Kriege nach Möglichkeit zu verhindern beziehungsweise so unblutig wie möglich zu beenden.
»Sie können sich daher vorstellen, daß mir sehr an der endgültigen Beseitigung dieser schrecklichen Dinger gelegen ist.« Nagumo schenkte Cooks Glas voll. Es war ein ausgezeichneter Chardonnay, der hervorragend zum Hauptgang gepaßt hatte.
»Ihre Information trifft die Sache ziemlich genau. Ich bin nicht mit dieser Materie vertraut, aber im Kasino schnappt man das eine oder andere auf«, bemerkte Cook, seinem Freund damit andeutend, daß er im siebten Stock des State Department speiste und nicht mit dem gemeinen Volk in der Cafeteria.
»Ich bin daran persönlich interessiert, muß ich gestehen. Ich werde den Tag, an dem die letzte dieser Raketen zerstört wird, mit einer kleinen Feier begehen und zum Geist meines Großvaters beten, um ihm zu versichern, daß er nicht umsonst gestorben ist. Haben Sie eine Ahnung, wann dieser Tag sein wird, Christopher?«
»Nein, ich weiß nichts Genaues. Man schweigt sich darüber aus.«
»Wieso?« fragte Nagumo. »Das verstehe ich nicht.«
»Nun, ich vermute, daß der Präsident eine große Sache daraus machen will. Roger zelebriert solche Dinge gern in den Medien, besonders wenn ein Wahljahr bevorsteht.«
Seiji nickte. »Ja, das leuchtet mir ein. Dann ist es also keine Frage der nationalen Sicherheit, oder?« wollte er wie nebenbei wissen.
Cook überlegte einen Augenblick. »Ach nein, das glaube ich eigentlich nicht. Gewiß, es erhöht unsere Sicherheit, aber die Sache wird sich doch auf eine ziemlich harmlose Art abspielen, denk' ich mal.«
»Darf ich Sie in diesem Fall um einen Gefallen bitten?«
»Nur zu.« Der Wein und der freundschaftliche Umgang sowie die Tatsache, daß er Nagumo schon seit Monaten mit Handelsinformationen versorgte, stimmten Cook aufgeschlossen.
»Könnten Sie für mich, nur als eine persönliche Gefälligkeit, das genaue Datum herausfinden, an dem die letzte Rakete zerstört werden soll? Die Feier, von der ich sprach, bedarf gewisser Vorbereitungen, das verstehen Sie doch, nicht wahr?«
Fast hätte Cook gesagt: Tut mir leid, Seiji, aber das ist strenggenommen eine Frage der nationalen Sicherheit, und ich bin auf keinen Fall bereit, irgend jemandem solche Informationen zu liefern. Die Unschlüssigkeit und das Erstaunen, die die Frage ausgelöst hatte, waren ihm, der sonst die unbewegliche Miene eines Diplomaten aufsetzte, am Gesicht abzulesen. Er überlegte fieberhaft oder versuchte es wenigstens in Anwesenheit seines Freundes. Klar, seit dreieinhalb Jahren verhandelte er jetzt mit Nagumo über Handelsfragen, hatte hin und wieder brauchbare Informationen bekommen, Material, das er benutzt hatte und das ihm die Beförderung zum Ministerialdirekor eingebracht hatte, und hin und wieder hatte er Informationen geliefert, weil ... ja, warum? Weil die Routine des State Department und die Begrenzung der Beamtenbezüge ihn anödeten, und ein früherer Kollege hatte ihm einmal gesagt, er könne doch mit all den Fähigkeiten, die er in fünfzehn Jahren Staatsdienst erworben habe, eigentlich in die Privatindustrie gehen, Berater oder Lobbyist werden, und man konnte ja wohl verdammt nicht sagen, daß er gegen sein Land spionierte, oder? Es war schließlich und endlich ein reines Geschäft gewesen.
War dies nun Spionage? überlegte sich Cook. Die Raketen waren nicht auf Japan gerichtet und waren es nie gewesen. Sie waren, wenn er den Papieren glauben konnte, auf nichts anderes gerichtet
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