08 - Ehrenschuld
Bemerkung zustimmten. »Matsuda-san, gibt es einen vernünftigen Menschen, der Ihnen vorwerfen könnte, daß Sie sich geirrt haben?«
»Das werden mir viele vorhalten«, antwortete er, recht mutig, wie alle fanden.
»Ich nicht, mein Freund. Wer unter uns ist ehrenwerter, klüger als Sie? Wer unter uns hat seinem Unternehmen gewissenhafter gedient?« Raizo Yamata schüttelte bekümmert den Kopf.
»Von größerer Bedeutung meine Freunde, ist, daß ein ähnliches Schicksal uns alle treffen könnte«, erklärte ein Banker mit ruhiger Stimme. Er dachte an die Tatsache, daß Matsuda seinen Immobilienbesitz in Japan und Amerika als Sicherheit bei seiner Bank hinterlegt hatte und daß seine Reserven gefährlich schrumpfen würden, sollte dieser Konzern Bankrott machen. Theoretisch und praktisch würde er diesen Bankrott zwar überstehen, doch bedurfte es nur der Annahme, daß seine Reserven schwächer seien, als sie es in Wirklichkeit waren, um sein Institut zu Fall zu bringen, und es genügte das Mißverständnis eines einzigen Reporters, um diese Idee in eine Zeitung zu lancieren. Ein entstellender Bericht oder ein Gerücht, und schon würde ein Run auf seine Bank einsetzen, und was nicht real war, würde wahr. Die abgehobenen Gelder würden natürlich bei einer anderen Bank eingezahlt werden - es gab gar nicht so viele Matratzen, um all das Geld zu verstecken -, und ein befreundeter Banker würde ihm die Mittel als Kredit zur Verfügung stellen, um die Position des Kollegen zu stärken, doch durch eine kleinere Krise, die durchaus möglich war, konnte das Ganze zum Einsturz gebracht werden.
Was ungesagt und daher weitgehend ungedacht blieb, war die Tatsache, daß die Männer in diesem Raum die Krise durch unüberlegte Geschäfte selbst heraufbeschworen hatten. Das war der blinde Fleck, den alle hatten oder fast alle, dachte Yamata.
»Das eigentliche Problem ist, daß das ökonomische Fundament unseres Landes nicht auf Felsgestein ruht, sondern auf Sand«, begann Yamata wie ein Philosoph. »So schwach und töricht die Amerikaner sind, hat das Glück ihnen doch die Dinge beschert, die uns fehlen. Daher ist unser Volk, mag es auch noch so intelligent sein, immer im Nachteil.« Das alles hatte er schon früher gesagt, aber jetzt hörten sie ihm zum ersten Mal zu, und er mußte sich wirklich zusammennehmen, um nicht zu zeigen, wie sehr ihn das befriedigte. Es war besser, wenn er möglichst unpathetisch sprach und sich noch stärker zurücknahm als bei früheren Ansprachen. Er heftete seinen Blick auf einen Mann, der bisher immer anderer Meinung gewesen war als er.
»Wissen Sie noch, wie Sie gesagt haben, der Fleiß unserer Arbeiter und das Können unserer Konstrukteure seien unsere wahren Stärken? Das war richtig, mein Freund. Es sind Stärken und nicht nur das, es sind Stärken, welche die Amerikaner nicht in der Fülle besitzen, wie wir sie genießen, doch weil das Glück aus unerfindlichen Gründen den gaijin hold war, können sie unsere Vorzüge aushebeln, weil sie ihr Glück in reale Macht verwandelt haben, und es ist die Macht, die uns fehlt.« Yamata hielt inne und musterte noch einmal seine Zuhörer, prüfte ihre Blicke und die darin liegende Unbewegtheit. Selbst für einen, der in diese Kultur hineingeboren und mit ihren Regeln aufgewachsen war, galt es jetzt, das Wagnis einzugehen. Der Augenblick war gekommen. Dessen war er sich gewiß. »Doch im Grunde stimmt auch das nicht ganz. Sie haben sich dafür entschieden, diesen Weg zu beschreiten, während wir uns dagegen entschieden haben. Und deshalb müssen wir jetzt den Preis für diese falsche Beurteilung zahlen. Das heißt, unter einer Bedingung brauchten wir es nicht.«
»Und die wäre?« fragte einer für alle anderen.
»Jetzt, meine Freunde, ist das Glück auf unserer Seite, und der Weg zu wahrer nationaler Größe liegt offen vor uns. Wenn wir wollen, können wir in unserem Mißgeschick Chancen entdecken.«
Fünfzehn Jahre hatte er auf diesen Moment gewartet, dachte Yamata. Während er in die Runde blickte und auf eine Reaktion wartete, ging ihm der Gedanke noch einmal durch den Kopf, und ihm wurde klar, daß er eigentlich sein Leben lang darauf gewartet hatte, seit er im Februar 1944 mit zehn Jahren als einziger aus seiner Familie an Bord des Schiffes gegangen war, das ihn von Saipan zu den Hauptinseln bringen sollte. Er erinnerte sich noch, wie er an der Reling gestanden und zu seinen Eltern und den jüngeren Geschwistern am Kai hinübergeschaut hatte, ein
Weitere Kostenlose Bücher