08 - Ehrenschuld
während er die Titelseiten überflog. Die größte Story des Tages, vielleicht des Jahres, und noch keiner hatte sie aufgegriffen.
Typisch.
Bemerkenswert war, daß, von dem üblichen Eingang auf dem Faxgerät abgesehen, der Rest des Tages weitgehend nach Plan verlief, so daß der Stabschef des Präsidenten sich wie ein normaler Bürger verhalten konnte und sich keine Gedanken darüber machte, was der nächste Tag bringen mochte. Irgendwie würde es schon weitergehen, dachte er, als er auf seinem Wohnzimmersofa einschlummerte und dadurch die Übertragung des Spiels zwischen den Lakers und den Celts aus dem Boston Garden verpaßte.
9 / Machtspiele
An diesem Montag gab es so manche Berichte, die man lesen mußte, aber bei Trent waren es wirklich eine ganze Menge. Das Repräsentantenhaus der Vereinigten Staaten würde wie üblich um zwölf Uhr seine Sitzung eröffnen. Der Geistliche stimmte sein Gebet an, erstaunt, den Präsidenten der Abgeordnetenkammer statt eines Stellvertreters auf seinem Platz zu sehen, erstaunt, daß ihm über hundert Abgeordnete lauschten statt der üblichen sechs bis acht, die sich sonst vor den Kameras von C-SPAN drängten, um kurze Statements abzugeben, und erstaunt, daß die Pressetribüne fast voll war und nicht gänzlich verwaist. Das einzig Normale war die Besuchertribüne mit der üblichen Anzahl Touristen und Schulkinder. Merkwürdig eingeschüchtert, stotterte der Geistliche sein Tagesgebet herunter und ging. Doch dann blieb er an der Tür stehen, neugierig auf das, was nun folgte.
»Mr. Speaker!« rief eine Stimme den Präsidenten des Repräsentantenhauses an, was niemanden im Saal überraschte.
Durch ein Telefonat aus dem Weißen Haus vorbereitet, blickte der Speaker bereits in die Richtung. »Der Vorsitzende erteilt dem Herrn aus Massachusetts das Wort.«
Al Trent eilte zum Rednerpult. Dort angekommen, ließ er sich Zeit, ordnete seine Notizen auf der geneigten Holzfläche, während drei Mitarbeiter einen Tafelständer aufstellten, ließ seine Zuhörer warten und stimmte sie durch beredtes Schweigen auf den dramatischen Ton seiner Rede ein. In den Saal blickend, begann er mit der üblichen Floskel:
»Mr. Speaker, ich ersuche um die Erlaubnis, vortragen zu dürfen.«
»Genehmigt«, erwiderte der Präsident, aber nicht so automatisch wie sonst. Die Atmosphäre war einfach anders, was allen klar war außer den Touristen, und sogar ihre Reiseführer nahmen Platz, was sie sonst nie taten. Von Trents Partei waren ganze achtzig Abgeordnete auf ihren Plätzen, dazu auf der anderen Seite des Ganges um die zwanzig, darunter alle Führungsmitglieder der Minderheitspartei, die an diesem Tag in Washington waren. Sie gaben sich zwar gleichmütig, doch allein schon ihre Anwesenheit wurde von den Reportern vermerkt, die ebenfalls einen Tip bekommen hatten, daß etwas Großes steigen würde.
»Mr. Speaker, am Samstag morgen wurden auf der Interstate Highway 40 zwischen Knoxville und Nashville, Tennessee, fünf amerikanische Bürger von der japanischen Autoindustrie zum Tod in den Flammen verurteilt.« Trent las die Namen und das Alter der Unfallopfer vor, und sein Mitarbeiter im Saal enthüllte das erste Dokument, ein Schwarzweißfoto vom Unfallort. Er ließ sich Zeit, damit die Abgeordneten das Bild auf sich einwirken lassen konnten, damit sie sich ausmalen konnten, wie es für die Insassen der beiden Fahrzeuge gewesen sein mußte. Auf der Pressetribüne wurden jetzt Kopien seiner vorbereiteten Rede und die Fotos verteilt, und er wollte nicht zu rasch vorgehen.
»Mr. Speaker, wir müssen uns jetzt fragen, warum diese Menschen gestorben sind und warum ihr Tod eine Angelegenheit dieses Hauses ist.
Eine tüchtige junge Ingenieurin im Dienst der Bundesregierung, Miss Rebecca Upton, wurde von den örtlichen Polizeibehörden an den Unfallort gerufen und erkannte sofort, daß der Unfall durch einen erheblichen Sicherheitsmangel an diesen beiden Fahrzeugen verursacht wurde, daß das tödliche Feuer letztlich bedingt war durch die mangelhafte Konstruktion der Benzintanks in beiden Fahrzeugen.
Mr. Speaker, gerade diese Benzintanks waren erst vor kurzem Gegenstand der Verhandlungen über inländische Materialien zwischen den Vereinigten Staaten und Japan. Dem japanischen Handelsrepräsentanten wurde ein überlegenes Produkt vorgeschlagen, das zufällig in meinem Wahlbezirk hergestellt wird. Die amerikanische Komponente ist sowohl besser in der Konstruktion als auch billiger in der Herstellung, doch diese
Weitere Kostenlose Bücher