08 - Geheimagent Lennet und der Auftrag Nebel
ein ohrenbetäubendes Sirenengeheul.
»Wer macht denn diesen Krach?«
Einer der Polizisten erwiderte: »Das sind wir.«
»Und wozu ist das gut?«
»Sie haben doch gesagt, daß Sie es eilig haben. Haben Sie keine Angst. Die Leute hier sind das gewöhnt.«
Der Wagen raste mit Vollgas durch die Stadt. Die anderen Fahrzeuge wichen vorsichtshalber rechtzeitig aus. Einige Minuten später hielt der Wagen vor einem Haus, das sich in nichts von den Nachbarhäusern unterschied. »Hier ist der Sitz der Berittenen Polizei«, sagte der Fahrer.
Lennet hatte schon von dieser Truppe gehört: Rote Jacken, Parade zu Pferd, zumindest war das seine Vorstellung.
»Hören Sie«, sagte er. »Ich wollte nicht zur Berittenen Polizei. Ich habe ja nichts gegen die Reiterei, aber heute abend habe ich etwas anderes zu tun. Ich brauche ernsthafte Polizei.«
»Das ist die ernsthafteste Polizei der Welt«, sagte der Polizist.
Sie stiegen aus. Bürgersteig, Halle, Treppe, Gang. Eine Tür. Der Beamte klopfte und gab Lennet einen leichten Stoß.
Der französische Geheimagent befand sich in einem großen Büro mit getäfelten Wänden. Hinter einem Schreibtisch, der mit Aktenordnern, Schnellheftern und Karteikästen beladen war, saß ein Mann in Zivil, der vielleicht achtundzwanzig Jahre alt sein mochte. Er stand auf, ging um den Schreibtisch herum und begrüßte den Gast. »Ich heiße Phil Himbeer«, sagte er ohne zu lachen.
Der Name kam Lennet so komisch vor, daß er am liebsten geantwortet hätte: Und ich bin Julius Johannisbeer.
Aber er beherrschte sich und sagte: »Ich bin Leutnant Lennet vom französischen Nachrichtendienst. Ich glaube, hier handelt es sich um einen Irrtum. Ich muß dringend mit einem Offizier der Bundespolizei sprechen, und man hat mir eben gesagt, daß Sie von der Berittenen Polizei sind.
Es ist wirklich dringend, und ich würde Sie bitten, mich zur richtigen Stelle bringen zu lassen.«
»Die Bundespolizei und die Berittene Polizei sind dasselbe«, sagte Phil Himbeer. »Wir haben berittene Einheiten, vor allem für die Paraden. Aber wir haben auch Leute, die weniger auffällig sind.«
Monsieur Himbeer war groß und hager. Er hatte ein knochiges Gesicht, tiefliegende blaue Augen und einen schmalen Mund. Seine Haare waren schwarz. Er sprach französisch mit einem rollenden R.
Lennet setzte sich auf den angebotenen Besuchersessel. »Hier ist mein Ausweis«, sagte er und zog ihn aus der Brieftasche. Der Ausweis war aus Plastik, trug sein Paßfoto und seine Fingerabdrücke und wies ihn als Agenten des FND aus.
Die Note für Vertrauenswürdigkeit
Monsieur Himbeer nahm die Karte, prüfte sie sorgfältig und gab sie dann zurück.
»Ich habe Sie bereits gestern erwartet, Monsieur Lennet«, sagte er einfach.
»Sie haben mich erwartet?«
»Ja. Sehen Sie, ich bin mit der Untersuchung im Falle des Wolkenkratzers ,Long John’ beauftragt, und Ihre Vorgesetzten hatten Ihre Ankunft angekündigt. Übrigens auch die von Monsieur Moser.«
»Wissen Sie, wo er ist?«
»Nein. Ich hatte geglaubt, Sie könnten es mir sagen.«
Die Augen des Kanadiers und des Franzosen trafen sich, und Lennet spürte, daß er einem Mann gegenübersaß, der nur schwer zu belügen war.
»Der Hauptmann war gestern nicht bei Ihnen?«
»Nein. Das hat uns überrascht, denn wir wußten, daß er an Bord der Maschine war.«
»Ist er also… entführt worden?«
Der Kanadier gab keine Antwort. Seine wachsamen Augen musterten Lennet.
»Hören Sie«, sagte Lennet. »Ich werde Ihnen berichten, was ich weiß. Er ist im ,Königin Elisabeth’ abgestiegen, und er hat dort auch die Nacht verbracht. Am Morgen ist er ausgegangen und nicht wieder zurückgekommen.«
»Das ist richtig.«
»Sie wissen…«
»Wir haben Sie beide überwacht von dem Augenblick an, als Sie aus der Maschine gestiegen sind.«
»Äh? Gut.« sagte Lennet ein bißchen fassungslos. Aber er fing sich sofort wieder.
»Sagen Sie, wenn Sie Ihre Verbündeten schon so gründlich beobachten, wie machen Sie es dann mit Ihren Gegnern?«
Himbeer überhörte die leichte Bosheit in dieser Bemerkung und sah Lennet weiterhin prüfend an.
»Wir waren heute in ,Höhe 737’ verabredet.«
»Deshalb war also der Tisch bestellt worden.«
»Das wissen Sie auch schon?«
Der Kanadier nickte. »Ich will Ihnen sagen, was Moser gestern und heute gemacht hat. Gestern ist er zu dem Wolkenkratzer gegangen und hat sich dort während des ganzen Nachmittags aufgehalten. Er ist in verschiedenen Büros gewesen. Den
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