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08 - Im Angesicht des Feindes

08 - Im Angesicht des Feindes

Titel: 08 - Im Angesicht des Feindes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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füreinander.
    Das Pflaster lenkte einen Moment ab vom Patschen und Tatschen und Turteln und Schäkern. Als Corrine es sah, sprang sie vom Sofa auf und rief: »Robbie, was hast du mit deinem schönen Gesicht gemacht?« Sie befahl ihrem »Bübel«, Jod und Alkohol und Watte zu holen, damit Mama sich um ihren Goldjungen kümmern konnte, doch noch ehe Sam Corey ihrem Befehl nachkommen konnte, lösten Schrecken und Aufregung bei Corrine einen Asthmaanfall aus, und ihr Zukünftiger holte statt Jod, Alkohol und Watte den Inhalator für sein »kleines Äpfelchen«. Während Corrine sich dankbar das Gerät vors Gesicht hielt, zog Robin, die Gelegenheit nutzend, Barbara mit sich aus dem Zimmer.
    »Tut mir leid«, sagte er leise, als sie den oberen Flur erreicht hatten. »Sie sind nicht immer so schlimm. Aber sie haben sich gerade verlobt. Da sind sie vor lauter Glück ein bißchen außer sich.«
    »Ein bißchen« fand Barbara stark untertrieben.
    Als sie nicht antwortete, sagte Robin recht betreten: »Wir hätten Ihnen doch ein Zimmer im King Alfred mieten sollen, nicht? Oder in einem Hotel in Amesford. Oder in einer anderen Privatpension. Das Haus kann einem schon auf die Nerven gehen. Und die beiden auch. Aber er ist nicht immer hier, und ich hab' gedacht -«
    »Robin, es ist völlig in Ordnung. Machen Sie sich keine Gedanken«, unterbrach Barbara verständnisvoll. »Sie sind eben ...« Einfach ekelhaft, hätte sie am liebsten gesagt. Statt dessen sagte sie: »Sie sind eben verliebt.« Und sie fügte hinzu:
    »Sie wissen doch, wie das ist, wenn man verliebt ist«, als wüßte sie selbst es genau.
    Robin blieb stehen, ehe er ihr die Tür öffnete. Zum erstenmal schien er sie als Frau wahrzunehmen. Sie fand das beunruhigend, ohne recht zu wissen, warum. »Sie sind nett«, sagte er, und als hätte er Angst, seine Bemerkung könnte falsch aufgefaßt werden, fuhr er hastig fort: »Schauen Sie. Ihr Badezimmer ist nebenan. Ich hoffe ... ja. Also dann, schlafen Sie gut.«
    Er öffnete die Tür und eilte mit rotem Kopf hinaus, stolpernd in seiner Hast, sie allein zu lassen, damit sie sich »eingewöhnen« konnte.
    Nun, sie hatte sich hier so gut eingewöhnt, wie das in einem Zimmer mit dem Namen »Heimchens Zuflucht« möglich war.
    Unterwäsche und Strümpfe waren ausgepackt. Ihr Sweatshirt hing an einem Haken an der Tür. Blusen und Hosen hingen im Schrank. Ihre Zahnbürste stand in einem Glas über dem Waschbecken.
    Sie hatte gerade begonnen, sich mit gewohnter frühmorgendlicher Energie die Zähne zu putzen, als es klopfte und Corrine Payne mit atemloser Stimme rief: »Barbara? Ich bringe Ihnen Ihren Morgentee.«
    Mit Schaum vor dem Mund öffnete Barbara die Tür. Draußen stand Corrine Payne mit einem Tablett in beiden Händen. Sie war trotz der unchristlichen Zeit voll angekleidet, sorgfältig geschminkt und tadellos frisiert. Hätte sie nicht andere Sachen angehabt als am vergangenen Abend, wäre das nußbraune Haar nicht zu einer anderen Frisur gelegt gewesen, so hätte Barbara vermutet, sie sei überhaupt nicht zu Bett gegangen.
    Sie keuchte ein wenig, doch sie lächelte, als sie eintrat und dann die Tür mit einem Hüftschwung hinter sich schloß. Sie stellte das Tablett auf die Kommode und sagte: »Puh! Jetzt muß ich erst einmal Luft schnappen.« An die Kommode gelehnt, atmete sie mehrmals tief durch. »Im Frühling und im Sommer«, sagte sie. »Da ist es immer am schlimmsten wegen der vielen Pollen.« Mit einer Handbewegung wies sie auf das Tablett. »Langen Sie zu. Ich bin gleich wieder fit.«
    Barbara behielt die Frau mißtrauisch im Auge, während sie sich den Mund spülte. Corrines Atem hörte sich an wie das Zischen eines Ballons, dem aus zusammengedrücktem Hals Luft entweicht. Das fehlte gerade noch, daß »Äpfelchen« hier zusammenklappte, während sie mit Genuß ihren Formosa Oolong schlürfte.
    Doch nach einer kleinen Weile, während der Barbara draußen auf dem Korridor tappende Schritte hörte, sagte Corrine: »So, jetzt ist's besser. Viel besser.« Und tatsächlich schien sie leichter zu atmen. Sie fuhr fort: »Robbie ist schon auf. Normalerweise bringt er den Gästen den Tee herauf.« Sie schenkte Barbara eine Tasse davon ein. Er war stark, dunkel wie gebrannter Zimt. »Aber bei jungen Damen ziehe ich die Grenze. Es gibt nichts Schlimmeres, als wenn ein Mann eine Frau am frühen Morgen sieht, wenn sie noch nicht zurechtgemacht ist. Habe ich recht?«
    Ihre einzige Erfahrung mit einem Mann, die an die zehn

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