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08 - Im Angesicht des Feindes

08 - Im Angesicht des Feindes

Titel: 08 - Im Angesicht des Feindes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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wecken.
    »Sie haben mit den Leuten in jedem dieser Häuser gesprochen?« fragte sie.
    »Das war das erste, was wir getan haben.« Robin schaltete in den ersten Gang hinunter. Der Wagen machte einen Satz.
    Barbara hielt sich am Armaturenbrett fest. »Wir sollten sie uns vielleicht alle noch einmal vornehmen.« »Können wir machen.«
    »Vielleicht haben sie es ja vergessen. Es muß doch jemand aufgewesen sein. Jetzt sind die Leute ja auch auf. Wenn ein Auto vorbeigekommen -«
    Robin pfiff leise durch die Zähne. Es war ein Ausdruck des Zweifels, den er nicht in Worte fassen wollte.
    »Was denn?« fragte sie.
    »Sie vergessen«, sagte er, »daß die Leiche am Sonntagmorgen hierhergebracht worden ist.«
    »Na und?«
    Er bremste vor einem tiefen Schlagloch ab. »Man merkt, daß Sie aus der Stadt kommen. Der Sonntag ist auf dem Land der Ruhetag, Barbara. Die Leute auf den Höfen hier draußen stehen sechs Tage in der Woche vor Morgengrauen auf. Am siebten tun sie das, was Gott befohlen hat, und schlafen sich aus. Um halb sieben sind sie dann wahrscheinlich auf den Beinen. Aber um fünf? An einem Sonntag bestimmt nicht.«
    »Mist«, brummte sie.
    »Nein, das macht die Sache nicht einfacher«, stimmte er ihr zu.
    Als der Weg vor einer Brücke anzusteigen begann, zog er den Wagen so weit wie möglich nach links und schaltete den Motor aus. Der hustete noch ein paarmal, ehe er verstummte. Sie stiegen aus dem Wagen in die kühle Morgenluft. »Da entlang«, sagte Robin und ging voraus zur anderen Seite der Brücke, wo ein dicht mit Gras bewachsener Hang zu einem Treidelpfad abfiel, der sich am Kanal entlangzog.
    Hier wuchsen Schilf und eine Fülle von Blumen, die die dunkelgrünen Böschungen wie rosafarbene, weiße und gelbe Sterne sprenkelten. Im Schilf nisteten Wasservögel.
    Ihre Schreie, als sie erschrocken aufflogen, schienen meilenweit das einzige Geräusch zu sein. Westlich und östlich der Brücke waren zwei schmale Boote an den Kanalufern vertäut, und als Barbara Robin nach ihnen fragte, erklärte er ihr, daß es sich um Ausflügler handelte, nicht um ständige Anlieger. Sie waren an dem Tag, an dem der Leichnam gefunden worden war, nicht hier gewesen. Sie würden auch morgen nicht mehr hier sein.
    »Sie wollen wahrscheinlich rauf nach Bradford-on-Avon«, sagte er. »Oder nach Bath oder Bristol. Von Mai bis September ist hier auf dem Kanal immer Betrieb. Nur über Nacht legen die Leute irgendwo an. Die meisten kommen aus der Stadt.« Er lächelte. »Wie Sie.«
    »Und wo bekommen sie die Boote?«
    Er zog seine Zigaretten heraus und bot ihr eine an. Mit einem Streichholz gab er ihr Feuer und schützte das Flämmchen vor dem leichten Morgenwind, indem er seine Hand um die ihre krümmte. Seine Haut war glatt und kühl.
    »Sie mieten sie«, beantwortete er ihre Frage. »Praktisch in jedem Ort, der in der Nähe des Kanals liegt, gibt es einen Bootsverleih.«
    »Zum Beispiel?«
    Er rollte seine Zigarette zwischen Daumen und Zeigefinger hin und her, während er überlegte. »In Hungerford zum Beispiel. In Kintbury. Newbury. Devizes. Bradford-on-Avon. Sogar in Wootton Cross gibt's einen Bootsverleih.«
    »In Wootton Cross auch?«
    »Ja. Ein Stück weiter die Straße nach Marlborough rauf ist eine Anlegestelle. Da fließt der Kanal durch den Ort. Und da werden Boote ausgeliehen.«
    Barbara sah die ganze Komplexität dieses Falles. Durch den Rauch ihrer Zigarette blinzelnd, blickte sie nachdenklich zu dem Weg, auf dem sie hergekommen waren. »Wohin führt der, wenn man einfach weiterfährt?«
    Mit der Hand, die die Zigarette hielt, wies er nach Südosten.
    »Er schlängelt sich weiter durch die Felder und endet dann ungefähr einen Kilometer von hier in einem Platanenwäldchen.«
    »Ist dort etwas?«
    »Nur Bäume. Und Zäune, wo die Felder aneinanderstoßen. Sonst nichts. Wir haben das Gebiet am Sonntagnachmittag durchgekämmt. Wir können uns dort aber gern noch mal umschauen, wenn Sie wollen. Sobald wir ein bißchen mehr Licht haben.«
    Sie sah zum östlichen Himmel, wo perlgraue Lichtstrahlen fächerartig, wie sich langsam ausstreckende Finger, in die taubengraue Dunkelheit hineinstießen, und überdachte den Vorschlag. Sie wußte, wie sehr sie bei dieser Untersuchung im Nachteil waren. Fünf Tage waren seit Charlotte Bowens Verschwinden verstrichen, sechs, wenn man den heutigen Tag mitzählen wollte. Sechsunddreißig Stunden waren seit der Entdeckung der Leiche vergangen, und Gott allein wußte, wie viele Stunden seit

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